Andachten zum Monatsbeginn
Innehalten – Ruhe finden – Impulse mitnehmen – Gemeinschaft entdecken
Die Andachten zum Monatsbeginn finden an jedem ersten Freitag des Monats statt. Um 18 Uhr in der St.Severi Kirche. Die aktuellen Termine finden sich auf dieser Website unter Aktuelles –> Termine. Thema ist immer ein kurzer Bibeltext, meist der jeweilige Monatsspruch. Dazu passend werden Lieder gesungen, Gebete und Psalmen gesprochen und Gedanken vorgetragen.
Ein bis zwei Wochen vorher werden die Andachten vorbereitet. Wer sich dazugesellen möchte, ist herzlich eingeladen. Nähere Informationen bei Rosemarie Krause unter Tel. 04751-5724.
Andacht zum Jahresbeginn 2024
Bildbetrachtung von Rosemarie Krause
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
1.Korinther 16, 14
„Ich liebe diesen Gurt nicht“, sagte Emilia genervt in ihrem Kindersitz im Auto, als ihr Vater sich über sie beugte und versuchte, den Gurtverschluss einzurasten. Der klemmte, wie immer. „Ich liebe diesen Gurt nicht“ – interessante Wortwahl. Was hat Liebe mit dem Sicherheitsgurt zu tun? Ich denke: eine Menge, aber nicht unbedingt nur so, wie Emilia das ausdrückte.
Liebe: ein schillerndes Wort. Hier ins Bild gebracht und mit einem direkten Auftrag versehen. ALLES – nicht manches, einiges, das Eine oder Andere, nein: ALLES geschehe in Liebe. Jedes Werk, jede Tat, jede Interaktion soll in Liebe geschehen. Es steht nicht da, dass alles in Liebe geschieht, sondern dass es in ihr geschehen soll. Nicht: es ist so! sondern: es soll so sein.
Für die Liebe hat die Künstlerin die Herzform gewählt, das allgemeingültige Motiv.
Die Herzform bildet sich aus der Begegnung zweier Kreise mit weißer Umrandung, die in der Mitte ein rotes Herz formen, eine Hälfte in jedem Kreis. Es sind Kreise, die sich überlappen, eine Schnittmenge bilden. Diese Schnittmenge hat, wenn man genau hinschaut, die Form eines Fisches. Ichthys: Der Ichthys-Fisch gilt als ein traditionelles christliches Erkennungszeichen, das seinen Ursprung bereits im Urchristentum hat. Ichthys, das heißt Jesus Christus, Sohn Gottes, in der Herzmitte der Liebe.
Die Kreise können z.B. Menschen symbolisieren, die miteinander kommunizieren, Menschen, die sich gerade begegnen. Im Bild sind die Kreise nicht ganz, sondern nur teilweise zu sehen. Der von oben links kommende Kreis ist hellorange, der untere fast bräunlich. In der Begegnung der beiden Kreise bilden sich die beiden leuchtendroten Herzhälften heraus. Das Herz entsteht um die Ichthys-Mitte herum.
Ich sehe das Bild als Bewegung. Als Bewegung, die aus dem oberen, helleren Kreis in den unteren, dunkleren hineinwirkt. Besonders deutlich wird die Bewegung in den Strahlen, die durch die Herzmitte in den unteren, bräunlichen Kreis hineinfließen. Nein: hineinexplodieren. Gelb, orange, blau, grün. Bewegte Lichtpunkte, die das düstere Braun verändern werden. Licht und Wärme entstehen aus der Bewegung in der Begegnung, aus Liebe.
Und was hat das mit Emilia zu tun? Die den Gurt nicht liebt? Ich denke, sie erlebt ihn aber doch letztlich als Teil der Liebe, die der Vater ihr gibt, die ihr Sicherheit gibt, die sie ins Leben begleitet. Die sie fähig machen wird, selbst zu lieben.
Auslegung der Jahreslosung von Reinhard Krause und Ute Mushardt
E-Mail Dialog zur Jahreslosung 2024
27.12. von Ute
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. (1. Kor 16,14)
Dieser Bibelvers stellt wohl für jeden Menschen eine der größten Herausforderungen in seinem Leben dar.
Woher soll diese Liebe kommen, selbst in so einer friedvollen Zeit wie den Weihnachtstagen ist es mir nicht immer gelungen, wie soll das bloß im Alltag sein?
Nicht nur Paulus fordert die Korinther auf, alles in Liebe zu tun, sondern auch Jesus ermahnt uns in der Bergpredigt unsere Feinde zu lieben, diejenigen, die mich hassen und mir Böses wollen, wie soll ich das jemals schaffen?
28.12. von Reinhard
Du hattest mir ja schon erzählt, wann in den so schönen Weihnachtstagen deine Liebe an die rote Linie kam. Das erleben vermutlich alle Menschen im Laufe des Alltags immer wieder: Ärger über Mitmenschen. Ist die Liebesforderung eine Überforderung für uns?
Spannend ist für mich: was ist denn mit diesem Wort „Liebe“ gemeint. Die Theologen erinnern uns dann immer daran, dass im Altgriechischen mehrere Begriffe existierten für das, was wir im Deutschen „Liebe“ nennen.
Zum einen die Philia: das ist keine Anstrengung. Nur einfach die Freude, lieben Menschen zu begegnen, sich zu umarmen oder vielleicht einen kleinen Kuss zu schenken. „Schön dich zu sehen“. Das kommt von alleine und kostet keine Mühe.
Auch das zweite Wort kostet keine Mühe: Eros bezeichnet alles, was Sexualität mit all den Gefühlen, die man für eine andere Person empfindet, erlebt. Schmetterlinge im Bauch oder modern auch Flugzeuge im Bauch. Die kommen von allein, niemand kann sie erzwingen.
Wenn Liebe als Aufgabe gemeint ist, dann heißt sie Agape. Den Mitmenschen lieben als ethische Entscheidung. Agape kann auch Inhalten, Wahrheiten und in dem Sinne auch Gott dienen. Gott lieben und den Mitmenschen als höchstes Gebot. Gefühle stehen nicht dahinter, sondern Wollen und Entscheidung. Das beständig zu fordern ist okay und doch sehr unrealistisch.
Das meiste, was wir den lieben langen Tag lang tun, geschieht automatisch, völlig ohne Bewusstsein oder Entscheidung. Wir lernen wahrscheinlich schon im Mutterleib und erst recht nach unserer Geburt, wie wir optimal überleben. Daraus entwickeln sich Verhaltensmuster, die im Laufe des Lebens immer schwerer verändert werden können. Mit andern gut umzugehen, sie zu achten, sich einzufühlen oder gar richtig zuhören zu können: das sind Eigenschaften, die nicht nur mir helfen, erfolgreich zu überleben, sondern auch andern zu leben helfen. In der Bibel heißt es, dass Gott uns liebt und wir nur aus diesem Geliebtwerden die Kraft bekommen, mit den Mitmenschen gut, empathisch und liebevoll umzugehen. Wo wir liebevollen Menschen begegnen, wachsen wir.
Wie zerstörerisch es ist, wenn Hass diese Rolle übernimmt, das erleben wir ein wenig oder mehr in jedem Leben. Und ich erschaudere bei Berichten von Terrorangriffen, Kriegen und Gewalt, die Menschen ihr Leben zerstören.
Um das Leben auch in unserer Begrenztheit zu ertragen: dazu benötigen wir Vergebung, Neuanfang und immer neue Hoffnung auf den Sieg der Agape, der richtigen Entscheidung. Gnade ist notwendig, weil niemand beständig liebevoll handelt.
29.12. von Ute
Dann ist es also durchaus menschlich, dass ich mich immer wieder beobachte, dass es mir schwerfällt immer liebevoll und mit Rücksicht zu handeln.
Schon in meiner christlichen Erziehung im Elternhaus bin ich immer wieder zu einem respektvollen und liebevollen Umgang mit meiner Familie und meinen Mitmenschen angeleitet worden, diese Erziehung hat mich durch die Schul- und Ausbildungszeit begleitet. Aber immer wieder gab es viele Situationen, wo dies nicht geklappt hat. Besonders wenn ich mich angegriffen, schwach oder ungeliebt gefühlt habe, war es auch mit meiner Geduld und Liebe vorbei.
In der Jugendgruppe der Kirche, in der Frauengruppe oder in dem Bibelkreis meiner damaligen evangelischen Freikirche habe ich gespürt, dass Gott mich liebt und wir haben es gemeinsam an vielen Bibelstellen nachgelesen. Nicht nur Jesus, sondern auch Paulus, Johannes oder auch Petrus sprechen es aus: „ Nur weil wir von Gott geliebt werden, sollen und können auch wir andere lieben, aber es bedarf immer meiner bewussten Entscheidung!
Ich habe mich selbst einmal beobachtet: immer wenn ich diese Gottesliebe aus den Augen verloren habe, prägt es nicht mehr mein Tun und Handeln und es fällt mir viel schwerer, andere zu lieben und einen rücksichtsvollen Umgang zu pflegen.
Müssen wir nicht im Alltag, im familiären Umfeld, im Freundeskreis, in der Arbeitswelt oder im gemeindlichen Bereich hierfür Angebote schaffen, wo wir dies einüben können?
1.1. von Reinhard
Das Leben ist ein weites Feld. Und die Liebe auch. Rezepte und Übungen für jede Situation, die uns begegnet, können wir kaum abspeichern und in Übungen lernen. Aber jeder von uns hat verschiedene und unendlich viele Möglichkeiten Liebe zu leben.
Mir fällt gerade der Satz ein, dass Liebe durch den Magen geht und damit in jeder Küche entstehen kann. Und ich denke an meine Therapieausbildung vor vielen Jahrzehnten: Schweigen lernen, alle Gedanken im Gegenüber zulassen, nur aufnehmen, nur Verständnis suchen. Nicht belehren und kommentieren. Der Gekränkte soll zu sich kommen und den Mut finden, aus sich herauszukommen.
Liebe spüre ich auch bei Euch im Kuhstall. Die vielen dampfenden Kühe mit ihren Kälbern, die einzeln versorgt werden. Wenn es sein muss auch mit Infrarotlicht und Fläschchengeben.
Das alles ist Möglichkeit auf Leben zugewandt und liebevoll zu reagieren. Jeder an seinem Ort mit jeweils anderen Chancen.
Nur die nölende Bitterkeit bringt gar nichts. Alle außer mir sind asozial und blöde. Das höre ich oft im Vorbeigehen. Schade, dass nicht alle so toll sind wie ich. Keiner denkt an mich, jeder nur an sich.
Und früher war sowieso alles besser! Wann? In Korinth, im dreißigjährigen Krieg oder im Nationalsozialismus? Dabei lese ich gerade von 23 tollen, lebensspendenden Handlungen, Entscheidungen und Erfindungen im vergangenen Jahr. Leider fehlt mir die Zeit, sie hier zu berichten.
2.1. von Ute
Du hast Recht, viel zu oft sehen wir nur das Negative im Leben und nehmen die vielen positiven Ereignisse zwar wahr, aber verinnerlichen sie gar nicht, ja nehmen sie manchmal einfach für selbstverständlich.
Aber haben nicht all diese Menschen selbstlos gehandelt, steht nicht die Liebe, dem Nächsten zu helfen bei ihnen an erster Stelle. Schon aus dem 1. Korintherbrief (13) haben wir gelernt was bleibt, nämlich Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Ich will mich in diesem Jahr ganz neu auf den Weg machen. In festgefahrenen Beziehungen, bei den Menschen, bei denen es mir besonders schwerfällt. Ich will auf meine Gedanken achten, auf mein Reden und Tun. Alles – das ist ein großes Wort, das werde ich sicher nicht schaffen, aber ich werde mich anstrengen und bemühen.
Alles was ich tue, soll in Liebe geschehen. Gott macht mich mutig, Euch auch?
2.1. von Reinhard
Im Nahbereich habe ich keine Angst. Ob ich im nächsten Jahr liebevoller sein kann? Aber ich habe Befürchtungen bezüglich des Hasses, den ich jeden Tag in den Nachrichten höre und sehe. Israel und Palästina. Gewalt steigert Hass und Verzweiflung auf allen Seiten. Chancen wurden versäumt und die Aussicht auf Gerechtigkeit und Frieden kann ich nicht erkennen. Putins Machtwahn zermürbt mindestens die Ukraine und ihre verzweifelten und tapferen Menschen. Auch in Afrika tobt Gewalt. Menschen auf der Flucht überall. Und in unserem Land sehe ich Wahlausgänge in manchen Ländern kommen, die bedrohlich sind für Menschenleben, Freiheit und Recht. Die Bedrohung des Klimawandels wird nicht mehr so wichtig gesehen. Zwischen vertrockneten Wäldern und im Dauerregen ertrinkenden Landschaften geht es nur noch um das eigene kurzfristige Überleben in der Gegenwart ohne Blick in die Zukunft. Ist das Liebe?
Der Jahresspruch, den Paulus nach Korinth schickt, ist für meine Überzeugung eine Voraussetzung für ein gutes Leben für mich und für alle Mitmenschen. Die Agape ist nicht leicht und locker, aber in meinem Glauben das einzig richtige. Ich wünsche uns allen die Kraft wenigstens selbst für Frieden und Gerechtigkeit einzustehen, auch wenn wir nicht allein Hass und Gewalt verhindern können.
Andacht zum Monatsbeginn November 2023
Gedanken zum Text von Rosemarie Krause
Gedanken zur Monatslosung
Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. Er macht den großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens. Hiob 9, 8-9
Wenn ich an Hiob denke, fallen mir spontan als erstes die Botschaften ein, die seinen Namen tragen: Hiobsbotschaften. Nachrichten oder Informationen, die Schlechtes verkünden.
Ist das im Original, bei Hiob, auch so? Erhält er Nachrichten, die Schlimmes verkünden? Absolut. Gleich am Anfang des Buches Hiob erhält er die entsprechenden Nachrichten: Alles Hab und Gut wird ihm genommen, auch alles Vieh verliert der reiche Hiob an einem Tag. Und nicht nur das: Seine Söhne und Töchter sterben.
Satan hatte Gott herausgefordert, als dieser die Rechtschaffenheit seines Knechts über alles lobte: Füge diesem Mann schweres Leid zu, und er wird sich gegen dich kehren. Gott gab Satan daraufhin freie Hand, die Gottestreue Hiobs zu testen. Also richtet Satan mit göttlicher Billigung ultimativen Schaden an.
Hiobs Trauer darüber verbindet sich aber sofort mit der vorbehaltlosen Unterwerfung unter den Willen Gottes: Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“ (1, 28)
In einer nächsten Probe werden ihm böse Geschwüre am ganzen Körper vom Scheitel bis zur Sohle auferlegt, die ihn schließlich auf den Aschehaufen außerhalb des Dorfes zwingen.
Als seine drei Freunde kommen, um ihn zu trösten, sitzen sie zunächst schweigend sieben Tage und sieben Nächte bei ihm „und reden nichts mit ihm“. Danach aber suchen sie nach dem Grund für diese – wie sie es sehen – Strafe Gottes. Menschliches Leid wurde immer als Strafe Gottes verstanden. Er selbst muss also etwas Unrechtes getan haben oder auch seine Söhne.
Gegen diesen Vorwurf setzt Hiob sich zur Wehr. Er achte das Recht Gottes, soweit er es kenne und verstehe. Aber Gottes Weisheit und Macht sei größer als Menschen sich das vorstellen könnten. Gott schaffe „große Dinge, die nicht zu erforschen, und Wunder, die nicht zu zählen sind“(10). „Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. Er macht den großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.“ (8-9)
Kann er dort erkennen, woher all sein Leid rühre? Kann der Blick in den Sternenhimmel ihm weiterhelfen?
Dieser Blick aber schafft zunächst in ihm kein Gefühl für die vertrauenserweckende Schöpferkraft Gottes. Er versteht nicht, dass Gott nach ihm „im Wettersturm greift und ihm viele Wunden ohne Grund“(17) schlägt. Denn er ist sich keiner Schuld bewusst. (35) Er versteht nicht, dass Gott die Frevler ungestraft lässt und die Unschuldigen peinigt. Sieht er sie denn nicht?
Hiob beklagt sich bei Gott: Er schleudert ihm seine Fragen entgegen – und bekommt Antwort, aber anders, als er es erwartet hätte. Gott konfrontiert ihn mit einem Berg von Gegenfragen. Er listet ihm Belege für die Weisheit auf, mit der er die Welt geschaffen hat. Und die Kraft, mit der er sie leitet. Und fragt: Hättest du das auch gekonnt? Kannst du überhaupt ermessen, was ich, dein Gott, kann? Und verstehen, was ich tue?
Das ändert seinen Blick. Jetzt erkennt er Gott als Gott, als unergründlichen Gott, der ihn und sein Leid sieht und der alles vermag. Weil er den zugewandten Gott nun gesehen hat, bereut er seine Worte und legt sich und alles, was ihn bedrängt, vertrauensvoll in die Hand Gottes. So findet er Trost bei ihm, auch wenn viele Fragen offenbleiben.
Das Buch Hiob schließt damit, dass Gott Hiobs Freunde für ihr Verhalten Hiob gegenüber tadelt und sie dazu bewegt, für ihn vor Gott Opfer zu bringen. Damit wendet sich das Blatt: Hiobs Verwandte wenden sich ihm wieder zu und Gott segnet Hiob nun mit doppeltem Besitz. Er bekommt genauso viele Kinder, wie er vorher hatte und lebt sagenhafte 140 Jahre, um dann „alt und lebenssatt“ zu sterben.
Hiobsbotschaften treffen Menschen oft unvorbereitet. Sie fühlen sich im Vertrauen ins Leben verletzt, erschüttert. Fühlen sich aus der Bahn geworfen und finden kaum heraus aus der neuen, belastenden Situation. Der Blick auf die Größe des Universums, auf den „bestirnten Himmel über mir“ kann vielleicht zu neuem Vertrauen helfen.
(Dazu wurde das folgende Zitat verteilt.)
Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Ich sehe sie beide vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewusstsein meiner Existenz.
Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft, 1788. Kapitel 34. Beschluss
Andacht zum Monatsbeginn Oktober 2023
Gedanken zum Text von Reinhard Krause
Monatsspruch: Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.
Jakobus 1, 22 – Monatsspruch Oktober 2023
Unsere St. Severi-Kirche ist immer noch eine Baustelle und der historische Blick auf die Kanzel während einer Predigt ist nicht möglich. Aber gelesen habe ich das in vielen Gottesdiensten in den letzten Jahrzehnten: „Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein, sonst betrügt ihr euch selbst.“ Und immer wieder erlebt habe ich auch, dass eine Konfirmandin oder ein Konfirmand sich diesen Spruch zu ihrer Konfirmation wünschten. Nein, es sollte kein Geschwätz sein, was den Glauben betraf. Es sollte sichtbare oder spürbare Auswirkungen haben.
Das „Wort“ ist in seinem griechischen Urtext in zwei Weisen genutzt: als Einpflanzen, sowohl von Pflanzensamen in der Landwirtschaft als auch einpflanzen in die Seele eines Menschen. Unter den richtigen Voraussetzungen entwickelt sich aus dem Samen eine in den Genen angelegte Pflanze. Und aus dem Wort eine Seele, die sich positiv entwickelt.
Der unbekannte, aber offensichtlich sehr gebildete Autor mit ausgezeichneten Ausdrucksmöglichkeiten im Griechischen entstammt den frühen judenchristlichen Gemeinden und seine Theologie ist jüdisch geprägt aus den Weisheitsschriften des Judentums und dem Spruchgut der Jesus-Überlieferung. Da ist Gott der Vater des Lichts, der den Menschen in stetiger Güte begegnet. Das Schlechte in der Welt kommt nicht von diesem Gott, sondern allein von der Wankelmütigkeit und Unzuverlässigkeit des Menschen. Diesem wird durch das Wort Anteil gegeben an der göttlichen Vollkommenheit, einer Weisheit von oben. Zu sehen in einem Spiegel. Der war in der Antike von schlechter Qualität, muss in der Handlung zur Vollendung kommen. Vollendung durch die Frucht guter Werke. Geduld ist angemahnt in der Standhaftigkeit gegenüber der Anfechtung, die allein aus dem Menschen kommt. Durchhaltevermögen gilt als Krone des Lebens. Das Evangelium als Wort führt hier zur vollendeten Freiheit von Sünde und Tod und bindet an Gott.
Der Mensch, der gläubige Mensch ist zur Liebe befreit und verpflichtet. Gottesdienst ist wohltätiges Handeln an Witwen und Waisen. Luther hatte wohl nichts gegen wohltätiges Handeln. Aber den Weg zu Gott sah er nach seinen vielen qualvollen Bemühungen um Nähe zu Gott durch Leistungen nicht in menschlichem Wirken, sondern allein aus der Gnade Gottes als möglich an, was zu einer großen Verachtung gegenüber dem Jakobusbrief führte. Er verwies ihn in der Folge der katholischen Briefe an die dritte Stelle.
Ist das okay? Oder sehen wir heute nicht mehr einen Glauben an, der nicht frommes Geschwätz ist, sondern Wirkung zeigt. 2015, als viele Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie Syrien oder Afghanistan zu uns kamen, schlossen sich den Gemeinden viele überzeugte Helfer an, die bis dahin nicht in Erscheinung getreten waren. Viele Flüchtlinge fanden persönliche Begleiter, die ihnen die Integration ermöglichten. Für mich nach den grausamen Erfahrungen aus unserer jüngeren deutschen Geschichte eine befreiende und glückliche Erfahrung.
Aber nun spätestens ist Zeitenwende. Angst regiert das Denken vieler Menschen. Fremde sind nun eine Bedrohung geworden. Obwohl unser alterndes Land viele Zuwanderer braucht, um wirtschaftlich überleben zu können. In den letzten Wochen geht es in jeder Talkshow um Abschreckung als richtiges Ziel politischen Handelns. Welches Land in Europa vertreibt Flüchtlinge am stärksten? Dänemark oder Österreich? Feindseligkeit als Orientierung. Menschlichkeit als Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Wäre das das Ergebnis jüdischer Weisheitsliteratur oder der Quellen der Jesusreden wie der Bergpredigt? Täter des Worts der Verheißung als Grausamkeit gegen Vertriebene?
Zur Zeit Jesu lebten nur noch etwa 500.000 Juden in Israel. Aber vier Millionen waren in die Diaspora gegangen, lebten in ihren Gemeinden rund ums Mittelmeer im römischen Reich, das keine Grenzen mehr kannte. Migration gab es immer. Zeiten des friedlichen Zusammenlebens. Zeiten der gegenseitigen Befruchtung. Zeiten der Abgrenzung und Verfolgung aber auch. Wie bin ich heute ein Täter des Worts. Antworten sind nicht immer einfach, wenn rundum der Hass wächst und die Gemeinschaft bedroht ist. Die Grundlagen des Zusammenlebens, Recht und Demokratie wackeln. Hören wir die richtigen, göttlichen Worte? Und setzen wir sie um, damit ein neues, mit einem liebevollen Gott versöhntes Leben geschaffen wird? Darüber lohnt es sich für jeden weiter nachzudenken und dann auch Täter des Worts zu werden!
Amen
Andacht zum Monatsbeginn Juni 2023
Gedanken zum Text von Rosemarie Krause
Segnender Christus in der Gedächtniskirche in Berlin (Foto @ Krause)
Monatsspruch:
Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle. Genesis 27, 28
Das sind Isaaks Worte des Segens. Sie sind gedacht für seinen geliebten erstgeborenen Sohn, für Esau. Aber vor ihm steht Jakob, der Zweitgeborene der Zwillinge. Er ist mit einer Mahlzeit zum Vater gekommen, um ihn um seinen Segen zu bitten. Isaak ist irritiert und fragt sich und dann auch ihn, ob er wirklich Esau sei. Isaak kann kaum noch sehen und hört auch schlecht. Er ist alt und will vor seinem Tod mit einem Segen die Nachfolge regeln.
„Bist du wirklich mein geliebter Sohn Esau, der Erstgeborene (der sein Erstgeburtsrecht so unvorsichtig gegen ein Linsengericht eingetauscht hatte)? Wie kannst du so schnell von der Jagd zurücksein? Ich hab dich doch gerade erst hinausgeschickt, ein Tier zu erjagen und mir dann ein leckeres Wildbretmahl zuzubereiten. Zu essen hast du mir gebracht. Aber schmeckt es nicht eher wie die Böcklein, die zahmen, aus unserer Herde?
Ich weiß, deine Haut ist behaart, ganz anders als bei deinem glatten Zwillingsbruder Jakob, meinem Zweitgeborenen. Lass mich deine Haut tasten – Ja, du bist behaart, gerade wie unsere zahmen Böcklein. So frag ich dich denn, der du mir diese Mahlzeit gebracht hast: Bist du Esau, mein Erstgeborener? –
Du sagst Ja und dass du Esau bist. Aber da ist ein Klang in deiner Stimme, der mich zweifeln lässt. Dennoch: „Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände.“ (27, 22) Gib mir einen Kuss, mein Sohn. Ja, du küsst mich – und ich nehme dabei Esaus Geruch wahr.“
Später, als alles vorbei ist, denkt Isaak: Ich wusste ja nicht, was ich später erfahren würde, dass Jakob nämlich Esaus getragene Kleidung angelegt hat, dass das zu dem Plan gehört, den seine Mutter Rebekka mit ihm ausgeheckt hat, um mich, den Vater, zu täuschen. Ich wusste noch nicht, dass meine Zweifel an seiner Identität berechtigt waren, denn Rebekka hatte ihn dazu gebracht, ein Böcklein zu schlachten für das Segensmahl und das Fell des Böckleins anzulegen, damit ich ihn für Esau halte. Das alles wusste ich noch nicht.
Wir kommen zurück zur Geschichte und lassen Isaak zu Ende sprechen: „Ich denke, dass du Esau bist, mein geliebter Sohn, mein Erstgeborener. Und so segne ich dich denn mit diesen Worten: Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle. „Völker sollen dir dienen… Sei ein Herr über deine Brüder… Verflucht sei, wer dir flucht; gesegnet sei, wer dich segnet.“ (27, 29)
Dieser Segen, einmal ausgesprochen, bleibt gültig.
Auch als kurz darauf Esau mit dem zubereiteten Wildbret erscheint und seinen Vater um den versprochenen Segen bittet. Nun müssen beide entsetzt erkennen, dass daran nicht zu rütteln ist: der Segen ruht jetzt auf Jakob und nicht auf Esau.
Wie können wir solchen Segen verstehen? Im hebräischen Denken wird dem Gesegneten eine besondere aufbauende Kraft zugesprochen, diese Kraft wird lebenswirksam. Das Gegenteil wäre ein Fluch, der eine zerstörende Wirkung hat. Die Persönlichkeit des Segnenden oder entsprechend des Verfluchenden ist dabei zwar von Bedeutung. Letztlich ist aber Gott in Israel der Geber des Segens. Er gibt ihn durch die Worte und Hände von ausgewählten Menschen.
Ich frage mich, warum die Geschichte diesen Verlauf nehmen muss. Warum wird der Betrug belohnt?
Warum kann die Mutter Rebekka den 2. Sohn, Jakob, den sie lieber mag, so beeinflussen,
dass er linke Methoden anwendet. um Ehre, Güter und Macht zu gewinnen?
Denn darauf läuft der väterliche Segen hinaus.
Die Antwort auf meine Fragen findet sich in der jüngeren Vergangenheit der Familie: Als nämlich die schwangere Rebekka den Streit und das Toben der Zwillinge in ihrem Bauch bemerkt und den Herrn darüber um Auskunft bittet, sagt er ihr, dass sie zwei Völker in ihrem Leibe austrüge, dass eines dem anderen überlegen sein werde und dass „der Ältere dem Jüngeren dienen werde“. (25,23)
Damit soll klargemacht werden, dass hinter dieser Geschichte des erschlichenen (geraubten) Segens für Jakob ein göttlicher Plan steht. Menschliche Erwartungen und Rechtsansprüche spielen dabei keine Rolle.
Der göttliche Wille und göttliches Handeln geschehen nach eigenen Gesetzen.
Mit Abraham schloss Gott seinen Bund, der das Volk Israel begründen sollte. Sein Sohn Isaak gab die Verheißung im Segen für den Erstgeborenen weiter und Jakob schließlich ging den vorgezeichneten Weg weiter. Er wird zum Stammvater des Volkes Israel.
Amen
Andacht zum Monatsbeginn Mai 2023
Gedanken von Carolin Pappe
Monatsspruch: Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es
vermag. Sprüche 3, 27
Weise Sprüche aus dem Buch der Sprüche. Mag beim ersten Hören trivial klingen, ist
vielleicht auch trivial und dennoch weise, da darin Überlebenswichtiges enthalten ist.
Darüber hinaus ist trivial ja auch gut, weil vielleicht eingängig und gut zu erinnern und daher
hilfreich für uns.
Es geht um Bedürftige, Gutes tun, helfen und eigenes Vermögen.
Natürlich trafen die Sprüche in der alten Zeit auf eine ganz andere Welt als wir sie heute
haben, wo wir durch zahlreiche Informationen aus aller Welt geflutet sind und es uns
manchmal schwer zu fallen scheint zu erkennen, wo Hilfe nötig ist oder wo Hilfe wirklich
ankommt oder wo es manchmal nur um Aktionismus geht und Fassade und wir eigentlich
genau hinschauen müssen, um herauszubekommen, ob jemand bedürftig ist, Hilfe braucht
und Hilfe auch hilft? Und na klar helfen wir in Notlagen, die wir erkennen – aber manchmal
wollen wir überlegen und nur notwendige Hilfe zur Selbsthilfe geben, keine Abhängigkeiten
erzeugen.
Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag – wer ist
bedürftig? Was ist gut? Was vermag ich?
Der nach dem Tod der Frau alleinlebende Vater wird von den Kindern gepflegt. Neben den
wochentags sich kümmernden Pflege– und Haushaltskräften bedeutet dies viel Zeit, die beim
Vater verbracht wird – neben dem beruflichen und privaten Alltag eine Herausforderung für
Körper und Seele und auch das Umfeld. Dem Altwerden der Eltern so nah zu sein, ist
mitnehmend, viele Gedanken kreisen um das Thema, zwar wissend, dass es um einen
begrenzten Zeitraum geht, ist es dennoch getrieben, diese verbleibende Zeit noch gut zu
gestalten – dies kostet Kraft in mancherlei Hinsicht.
Wenn es um Gesundheit und Pflege von Angehörigen geht, könnten Viele Geschichten von
hoher Anforderung, Überforderung und Erschöpfung erzählen.
Engagement für Alte, Kranke, Sprachlose, Arme, Geflüchtete, Ausgegrenzte – im Sinne des
Monatsspruchs „Bedürftige“ – gibt es, Gott sei es gedankt, in unterschiedlichen Formen.
Viele Menschen, die sich nicht verweigern Gutes zu tun (ich unterstelle meist selbstlos), tun
dies, so gut sie es können. Zeitlich, inhaltlich, finanziell: Gutes tun umschließt zahlreiche
Möglichkeiten so wie es auch viele Arten von „bedürftig“ gibt. Ganz allgemein Menschen,
die Hilfe benötigen (und insofern sind wir alle irgendwann mal bedürftig (gewesen).
Fallen Ihnen Dinge/Erfahrungen/Erinnerungen ein, wo Gutes getan worden ist? …. Ich denke
ja.
Vielleicht sind wir nicht immer zufrieden mit dem Prozess und Ergebnis des „Gutes tun“. Die
Geldspende für einen Obdachlosen wird sofort in Alkohol umgesetzt. Das Engagement im
Flüchtlingsheim trifft auf andere Vorstellungen. Die Mitarbeit in der Kindergruppe führt nicht
zu mehr Zulauf. Der gepflegte Vater wird manchmal vermessen und meint, man sei zu wenig
bei ihm, weil er es vergessen hat.
Wir sind enttäuscht. Hatten wir vielleicht keine Anerkennung oder Dankbarkeit erwartet, so
doch, dass es gut auf– oder angenommen wird und teils trifft das nicht zu. Frustriert denken
wir darüber nach, dann eben nichts mehr zu machen. Oder die Hetzerei, alles zu schaffen ist
so groß, alles nur gepresst und unter Stress – keine Kraft mehr dafür, Erschöpfung breitet
sich aus. Die Anspannung, das Gedankenkarussell um nahe Angehörige, wie lange hält man
das aus?
Gutes tun, sich dem nicht verweigern, helfen, wenn Hilfe nötig ist – ja, ja doch.
Aber: nur, wenn du es vermagst! Helfen, wenn du kannst!
Helfen sollen helfen können.
Nicht nur die Not soll im Blick sein, auch derdiedas Helfende.
Der Monatsspruch soll auch eine Einladung sein, auf sich selbst aufzupassen, bevor man
überfordert ist, sich aufopfert, frustriert ist und eigentlich gar nicht mehr kann. Wie bleibe
ich selbst stark, um anderen helfen zu können? Wodurch können die eigenen Energien
aufgeladen werden? Wer oder was kann mir helfen? Freunde, neue Wege, Perspektiven,
Kraftquellen, Gottes Segen, sich Zeit nehmen dafür – damit ich meine Aufgabe, die ich mir
gesucht habe (oder die mich gefunden hat), gut und heilsam erfüllen kann.
Ich darf „nein“ sagen, wenn ich glaube, es nicht zu schaffen, wenn aus meiner Sicht vielleicht
keine Hilfe in Sicht ist. Ich darf auch Hilfe annehmen, wenn es mir nicht gut geht und ich
nicht mehr kann. Oft sind Mitmenschen nahe, die unterstützen können.
Nur wenn es mir gut geht, kann ich der Welt Gutes tun!
Schauen wir hin, wo Hilfe nötig ist und helfen und achten wir darauf, dass wir das nach
unseren Kräften machen!
Der erste Freitag im April war Karfreitag. Deshalb keine Andacht zum Monatsbeginn
Im März 2023 nahmen wir teil am Weltgebetstag der Frauen in Neuenkirchen
Andacht zum Monatsbeginn Februar 2023
Andacht zum Jahresbeginn im Januar 2023
Gedanken zum Jahresspruch: Du bist ein Gott, der mich sieht.
von Reinhard Krause
Es ist zum Weglaufen. Eine alte Geschichte.
Zuerst gab es unter den Menschen nur eine Form der Überlieferung: die mündliche Erzählung. Forschungen zeigen: von einem Erzähler zur nächsten Erzählerin verändern sich die Inhalte. Genauso wie beim Tratsch. Als die Menschen die Schrift entwickelt hatten, versuchten sie alles dingfest zu machen. „Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“ Ob alles genau so passiert ist, wie es im 16. Kapitel des ersten Buches der Bibel steht?
Was da im 16. Kapitel des Buches Genesis, des ältesten Buches der Bibel aufgeschrieben wurde, wirkt auf uns heutige Menschen befremdlich: Abram und Sarai, seiner Frau, sind von Gott Kinder verheißen, Nachkommen. Ganz wichtig ist Kinder kriegen im Altertum, vor allem für die Frauen. Durch Kinder erlangt man ein ewiges Leben. Frauen, die unfruchtbar bleiben, genießen ein geringes Ansehen. Auch heute sehnen sich viele Paare vergeblich nach einem Kind und suchen medizinische Hilfe. Aber damals gab es keine solche Medizin. Der Ausweg war anders: Sarai besitzt eine Sklavin aus Ägypten, eine persönliche Dienerin. Die soll Abram schwängern, nachdem er mit Sarai 10 Jahre vergeblich versucht hat, Kinder zu bekommen. Denn, so die Vorstellung der Zeit, wenn diese Sklavin auf dem Schoß der Herrin gebiert, gehört das Kind der Herrin. Problem gelöst. Aber dann doch nicht. Ja, Hagar wird auf Wunsch von Sarai schwanger durch Abram. Aber das gibt Hagar, ihrer Sklavin, neues Selbstwertgefühl und sie lässt Sarai spüren, dass sie stolz auf ihre Schwangerschaft ist und Sarai, die Kinderlose, verachtet. Sarai beklagt sich bei Abram und der verfügt: Hagar ist deine Magd, mach mit ihr, was du willst. Also versucht Sarai alles, was Hagar demütigen kann, damit es ihr selbst besser geht. Aber Hagar lässt sich das nicht bieten und flieht in die Wüste. Es ist schließlich zum Weglaufen und die stolze Hagar ist jetzt einmal weg. Lieber in die lebensfeindliche Wüste fliehen als erniedrigt werden. Ob sie das überleben wird?
Der liebe Gott sieht alles
Beim Lesen der weiteren Geschichte bekam ich einen Ohrwurm. Hildegard Knef, längst tot, beginnt wieder in meinem Kopf zu singen: der liebe Gott sieht alles. Der Mensch mag vor seinen Gefühlen feige flüchten, singt sie mit ihrer rauen Stimme, sich verstecken im Dunklen. Aber das hilft nicht. „Der liebe Gott sieht alles und hat ihn längst entdeckt.“
In der Realität von Hagar ist es ein Mann, ein Bote Gottes, ein Engel. Er findet Hagar an der Grenze zu Ägypten an einer Quelle in der Wüste. Er lässt sich erzählen, was geschehen ist und schickt sie dann zurück. Hagar soll sich demütigen unter der Herrin Hand. Aber ganz trostlos entlässt dieser Engel, dieser Bote Gottes, Hagar nicht: Er verspricht ihr nicht nur einen Sohn, der den Namen Ismael tragen soll. Übersetzt heißt dieser Name „Gott hat erhört“. Er soll der Stammvater eines wilden Wüstenstammes aus Brüdern der Söhne Abrams werden. Auch hier eine große Verheißung, die Hagar erreicht und zurückkehren lässt. Sie fühlt sich gnädig angesehen. Sie gebiert Abram einen Sohn und der nennt ihn Ismael.
Hagar fühlt sich von Gott geachtet und gesehen: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ So nennt sie ihn. Und den Brunnen nennt sie: „Brunnen des Lebendigen, der mich ansieht.“ Geachtet und wahrgenommen werden ist die Quelle alles Lebens. Und diese Erzählung gesteht das allen zu: selbst einer Sklavin mit Trotzkopf. Das gilt wohl erst recht heute, da die Sklaverei abgeschafft ist und die Frau dem Mann rechtlich gleichgestellt.
Das ist die Chance, die uns zugesprochen wird: Du bist wertvoll und geachtet. Und du kannst Achtung schenken. Achtung ist die Quelle des Lebens. Lebe!
Amen
Andacht zum Monatsbeginn Dezember 2022
Gedanken von Reinhard Krause
Monatsspruch:
Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein.
Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie.
Vor einigen Jahren las ich in der SZ eine wunderschöne Reportage über den Zoo von Jerusalem. Ein Palästinenser und ein Jude sind gemeinsam für die Fütterung der Tiere zuständig und haben überhaupt kein Interesse an den ständigen politischen Konflikten bis hin zur Gewalt. Sie wollen nur Freunde sein und gemeinsam die Tiere versorgen. Und noch etwas Kurioses und Friedliches wird geschildert: Klassen aus palästinensischen und jüdischen Grundschulen sind mit Bussen am Morgen gekommen. Alles orthodoxe Schulen. Die Lehrerinnen gleichen bei allen Klassen den Pinguinen, die da im Gehege vor den Kindern zu sehen sind. Das klingt gewollt oder zufällig nach Frieden, auch wenn die Klassen beim Frühstück auf der Wiese
nebeneinander lagern – unvermischt.
Die Reportage erzählt auch von der Geschichte der Zoos in Jerusalem, die von den kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten nicht verschont blieben. Der erste Zoo wurde noch vor der Gründung des Staates Israel als „Biblischer Zoo“ gegründet. Die Verheißungen Jesajas veranlassten den Gründer, ein gemeinsames Gehege für Wölfe und Schafe einzurichten. Dies soll zulasten der Schafe geendet haben.
Ja, der Traum vom friedlichen Zusammenleben der Kreaturen ist unrealistisch. Vögel können z.B. nicht überleben, ohne Insekten als Nahrung. Die Vernichtung von Insekten in der herkömmlichen Landwirtschaft führt auch zum Artensterben der Vögel, die nun keine Nahrung mehr finden. Und die Wölfe, die sich aus Osteuropa kommend wieder langsam bis in unsere Region verbreitet haben, führen auch zu unschönen Bildern gerissener Tiere und Nutztiere. Schafe gehören wie überall in der Welt dazu.
Die Träume und Verheißungen Jesajas sind keine Gebrauchsanweisungen. Tiere und Menschen sind nicht einfach friedlich. Kinder müssen lernen, ohne Gewalt miteinander umzugehen. Jugendliche durchleben in der Erprobung der Welt viele Unsicherheiten. Auch Erwachsene sind gefährdet. Gewalt in Ehe und Beziehung, Gewalt gegen Kinder. Und wenn Jesaja seine utopischen Träume aufschreibt, dann geschieht das in einer bedrohlichen Welt militärischer Zerstörung und innerer Machtverhältnisse, die Unrecht beinhalten. Also recht ähnlich, wie wir es in unterschiedlichen Formen in unserem heutigen Leben auch wahrnehmen. In unserem Land, aber noch viel mehr in anderen Regionen der Welt, in denen alle staatliche Gewalt zusammengebrochen ist oder erstarrt in rigider Herrschaft. Ständige Bedrohung ohne rechtliche Grenzen und voller Gewalt.
Müssen wir uns damit abfinden? Oder dürfen wir träumen von einer himmlischen Welt, in der die Angst vergangen ist? Ein neuer Himmel und eine neue Erde, wie in der Offenbarung des Johannes beschrieben. Ein kleiner Junge als positiver Bestimmer der Wirklichkeit, in der das weiche Lamm mit dem Wolf kuschelt wie bei Jesaja? Wo es gut läuft, da orientieren sich Menschen an dem Ziel, das Zusammenleben auszuhandeln und miteinander friedlich zu leben. Klappt bei weitem nicht immer. Nähert sich aber mehr den himmlischen Träumen besser an als Hass und Gewalt leben oder gar idealisieren. Und immer wieder neu anfangen. Kein Heldenmythos für Brutalität und Tod.
Am letzten Sonntag wanderten meine Frau und ich am Olymp durch die Wingst. Der Baumstumpf einer Buche stand am Rand des Pfades, schon überzogen von Pilzen und Moosen. Und doch hatte sich aus dem Stumpf am Rand ein kleiner Baum, eine kleine Buche ans Wachsen gemacht. „Es ist ein Reis entsprungen“ fiel mir gleich ein. Immer wieder an eine gute Zukunft, an ein neues Leben glauben, ist nicht leicht. Aber solche Hoffnung ist nun einmal die Grundlage allen Lebens, wie wir sie zu Advent und an Weihnachten suchen und hoffentlich auch finden.
Amen
Andacht zum Monatsbeginn November 2022
Gedanken von Rosemarie Krause
Monatsspruch:
Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen! Jesaja 5, 20
Vorangegangen ist bei Jesaja das Lied vom unfruchtbaren Weinberg, der für das Haus Israel steht. Die Menschen dort sind die Pflanzung im Weinberg Gottes, die Pflanzung, an der sein Herz hing und weiter hängt, für die er den ohnehin fetten Boden umgegraben hatte, so dass er gute Trauben erwarten durfte. Jedoch: der Weinberg droht zu verwüsten, Feinde können ungehindert eindringen. Disteln und Dornen wachsen, Regen nährt den Boden nicht mehr.
Gott, dem der Weinberg gehört, will, dass die Menschen selbst urteilen und entscheiden, was dem Weinberg und damit ihnen guttut. Doch was er sieht, ist nicht Rechtsspruch, sondern Rechtsbruch, ist nicht Gerechtigkeit, sondern Geschrei über Schlechtigkeit.
Es folgen sechs Weherufe über die Sünden derjenigen, die die Menschen zu manipulieren verstehen. Darunter unser Monatsspruch: Weh denen, …
Die Sprache der Bibel sieht Gutes und Böses nicht in erster Linie als ethische Begriffe. Nein, hier geht es um Heil und Unheil, Glück und Unglück. Der Prophet Jesaja sieht vor gut 2700 Jahren Unheil heraufziehen mit Unglück im Gefolge für das kleine Land Juda mit seiner Hauptstadt Jerusalem und er wendet sich gegen alle die, die einzig mit militärischen und strategischen Machtbündnissen gegen diese Drohung vorgehen wollen. Sie schätzen die aussichtslose Lage des Landes falsch ein. Nicht nur das: sie stellen sie in der Öffentlichkeit bewusst falsch dar, sie bringen Fake News in Umlauf. Statt das drohende Unheil nicht weiter zu leugnen und der Realität ins Auge zu blicken, versuchen sie sich selbst und anderen einzureden, die Zukunft Judas sei glamourös. Eine durch nichts begründete Zuversicht.
Der Weinberg ist in Gefahr, wenn der Herr des Weinbergs außen vor gelassen wird. Der Blick der Menschen auf die Realität ist getrübt, wenn der Blick Gottes nicht mit einbezogen wird. So die Botschaft Jesajas. Und Gott wird, bei allem aktuellen Unglück, bei aller existentiellen Gefahr, die Menschen nicht fallen lassen. Im Dunklen endet das alles nicht.
Natürlich ist es schöner, den anderen zu vermitteln: Es ist alles gut, mir geht’s gut, mir gelingt alles, was ich will; das Leben läuft; und wenn was schiefläuft, hab ich alles schnell wieder im Griff. Man will kein Loser sein. Es soll mich keiner mobben: du Opfer.
Aber die Realität sieht manchmal anders aus. Da ist wirklich Angst vor einer schlechten Note in der Schule, vor missgünstigen Kollegen; da ist Sorge um nahestehende Menschen, die krank oder in Not sind; da sind Missverständnisse, die Zwietracht säen zwischen den Menschen, die einander eigentlich immer nahe waren; da ist finanzielle Not, die existenziell zu werden droht.
Und da sind die großen globalen Probleme: der Ukraine-Krieg, die Klimakatastrophe, die Pandemie (auch wenn sie allmählich abzuklingen scheint).
Eine schwere Realität kann sich nicht verändern, wenn ich sie schönrede oder die Probleme für mich behalte. Wenn ich Finsternis Licht und sauer süß nenne. Sie kann sich erst verändern, wenn ich die Dinge beim Namen nenne und mir und anderen nichts vormache, nicht bei meinem eigenen verengten Blick auf mein Leben bleibe. Wenn ich den Blick von außen mit einbeziehe, Gottes Blick auf mein Leben.
Und, wenn es mir möglich ist, den Trost annehme: Ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Amen
GEGENDARSTELLUNG zu Jes.5,20
Selig sind, die Gutes gut nennen und Böses böse.
Selig sind, die Licht hell sein lassen und Finsternis dunkel.
Selig sind, denen Süßes süß und Bitteres bitter schmeckt.
Selig sind, die der Welt mit Realismus begegnen und dabei auf die Güte Gottes vertrauen. (aus: Bibelandenken 2022)
Andacht zum Monatsbeginn Oktober 2022
Gedanken von Reinhard Krause
Monatsspruch: Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker. Offb 15,3
Besonders gut sah es nicht aus für die Flüchtlinge am Mittelmeer. Streitwagen des Pharao jagen ihnen nach und werden sie wohl bald einholen und zurückbringen in die Sklaverei. Oder ein Exempel statuieren, dass niemand es in Zukunft mehr wagen wird, der Herrschaft des Pharao zu entkommen. Aber dann, nicht recht erklärlich, weicht das Wasser aus dem Schilfmeer zurück. Das Volk kommt ans rettende andere Ufer. Dann kehrt das Wasser zurück und vernichtet die Verfolger. Nicht erklärlich, aber doch ist ein Wunder passiert. Grund zu Ruhmesversen:
„Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott. Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine Urteile sind offenbar geworden.“
Die Situation des Verfassers der Offenbarung ist gar nicht super. Verbannung auf die Insel Patmos. Seiner Freiheit als Wanderprediger in Kleinasien beraubt. Die ihm vertrauten Gemeinden in Gefahr. Verfolgt, weil sie den Kaiser in Rom nicht als Gott anerkennen. Domitian heißt er und regiert von 90-95 in Rom. Mütter werden gezwungen zuzusehen, wie ihre Kinder grausam getötet werden. Ganze Gemeinden ausgelöscht. Pogrome.
Die Bilder sehen vertraut aus. In Dörfern, die von russischen Soldaten befreit wurden, liegen Leichen herum, finden sich Verstümmelte, die offensichtlich gefoltert wurden. Todeszahlen unbekannt. Und der Blick zurück in unsere deutsche Geschichte zeigt eine deutsche Wehrmacht, die mit dem Auftrag, die polnische Zivilbevölkerung auszulöschen, etwa 6 Millionen Menschen grausam tötet. In dem Gebiet der damaligen Sowjetunion werden 20 Millionen folgen. Bilder aus aller Welt ließen sich hinzufügen. Gewalt, Machtgelüste, Sadismus, Herrschaftsgelüste: Sie sind grenzenlos.
Johannes phantasiert auf Patmos vor sich hin: Bilder von einem Gott, der eingreift. Das Unrecht beendet. Der tröstet und neues Leben möglich macht. Einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und dem gilt der Lobgesang, der unser Monatsspruch für Oktober ist:
Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker.
Um Hoffnung und Vertrauen geht es in Anbetracht vieler grausamer Bilder und Erfahrungen aus der Geschichte der Menschheit. Und aktueller Bedrohungen. Krieg oder gar Atomkrieg? Taktische Atomwaffen haben mehr Sprengkraft als damals die in Hiroshima oder Nagasaki. Unbezahlbares Leben durch Inflation und Energiemangel. Zerstörung des Lebensraums Erde durch Überhitzung – selbstgemacht. Sind wir in apokalyptischen Zeiten angekommen? Geht alles nur noch den Bach runter? Oder wird jemand eingreifen? Gott selbst? Hält jemand die Fäden in der Hand, der Leben und Gerechtigkeit will?
Unser Alltagsleben ist meistens schön. Naturerlebnisse. Entdeckungen. Körperliche Erfahrungen und Freuden. Sonne und Farben in ständigen Wechsel. Immer reichlich leckeres Essen, kein Hunger, kein Durst. Fast immer. Und nach Corona nun immer mehr Begegnung, Freundschaft, Nähe und Erlebnisse. Reisen. Nein, bitte nicht ständig miesepetrige Anmerkungen und Drohungen. Das will niemand mehr hören. Ich will wieder Spaß:
Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker.
Der Satz: unrealistisch, ohne jegliche Substanz. Oder der Widerstand gegen alles Lebensfeindliche, Unmenschliche, Zerstörerische, das wir im Laufe unseres Lebens wahrnehmen müssen. Soweit wir es nicht gar erleben und daran zerbrechen?
Unsere Religion soll uns nicht blind machen gegen die Realität. Sie darf uns anstiften zu positiven Taten, die dem Leben dienen. In all unseren Grenzen als Handelnde. Aber sie trägt ihren Sinn in der positiven Hoffnung, die über alles Leiden und Sterben hinausgeht. Darum:
Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker.
Amen
Gebet:
Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott. Du hast mir ein Leben in Sicherheit gegeben, wir haben genug an Nahrung und Ressourcen, Freundschaft und Geborgenheit sind möglich – Öffne mir die Augen für deine Wunder in dieser Welt.
Gott, du bist Herrscher über die ganze Schöpfung. Das große, schöne Bild deiner Schöpfung, das Ineinandergreifen ihrer einzelnen Bestandteile – ich kann es gar nicht fassen und will doch alles dafür tun, dass diese Schöpfung erhalten bleibt und künftige Generationen nährt.
Gerecht und zuverlässig sind deine Wege. Lenke meine Wege und gib mir Hoffnung und Zuversicht. Du König der Völker, dir möchte ich danken und dich loben mein Leben lang.
Amen
Andacht zum Monatsbeginn September
Gedanken von Carolin Pappe
Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit.
Sirach 1, 10
Manchmal tut man sich schwer mit so einer Monatslosung, so ging und geht es mir mit
dieser. Dem Satz alleine, dem kann ich zustimmen, der klingt erstmal klar. Aber was haben
Liebe und Weisheit miteinander zu tun? Ich nähere mich dem Satz und treffe auf Elke
Heidenreich. Sie äußert in einem Essay über Chancen, Entscheidungen und Glück und
Unglück die Worte: „Wie froh bin ich, dass die beiden im Paradies von dem verbotenen
Baum den verbotenen Apfel gegessen haben. Wer will denn das Paradies in seiner
einförmigen Langeweile? Wir wollen Erkenntnis, auch wenn sie mit Unglück einhergeht.“
Erkenntnis wollen wir, Erkennen und Weisheit. Weisheit ist ein Wort der Losung, die wir im
Alten Testament finden. Genauer gesagt gehört das Buch Sirach zu den Apokryphen, die es
nicht in die Bibel „geschafft“ haben.
Da schreibt Jesus Sirach ca. 180 Jahre vor Christi Geburt ein Buch, um Menschen auch in der
Fremde dazu zu bringen, gesetzestreu und mit guten Sitten zu leben.
Es geht in seinen Worten um Gottesfurcht, Ehre den Eltern, Demut, verantwortliches Reden,
Warnungen vor allem möglichen, Barmherzigkeit u. v. m. und viel um Weisheit – das Lob der
Weisheit, Weisheit und Gotteswort, Weisheit des Alters, über das Erkennen der Weisheit:
dies sei vor allem Menschen möglich, die Zeit haben und nicht tagtäglich arbeiten müssen.
Sirach versucht mit Zeit und Muße Gott zu finden und wird – wenn Gott will – mit dem Geist
der Erkenntnis gefüllt. Und dann kann er mit Weisheit für die Allgemeinheit arbeiten und
seine Erkenntnis einsetzen.
In den ersten Sätzen des Buches wird der göttliche Ursprung der Weisheit benannt (1, 1–10).
Das Wort Gottes ist die Quelle der Weisheit. Liebe zu Gott sei nun die schönste, die
allerschönste Weisheit. Gott als Quelle der Weisheit und die Tora als von Weisheit
durchdrungene Schrift sind Maßstab für ein Leben in Weisheit.
Dies mündet im obersten Gebot des Neuen Testament: „Liebe Gott und deinen Nächsten,
wie dich selbst.“ (Lukas 10, 27).
Liebe soll unser Handeln bestimmen.
Liebe ich Gott eigentlich?
Mit Menschen, die ich liebe, verbringe ich gern Zeit, sie sind mir wichtig, ich kann ihnen
(an)vertrauen.
Gott ist mir wichtig, ich kann mich ihm anvertrauen, mich an seinen Geboten orientieren –
ist das weise? Das weiß ich nicht und auch, ob man Menschen und Gottesliebe überhaupt
vergleichen sollte – …..? Viele Fragezeichen!
Ich weiß nicht, ob man die erlernte Weisheit benötigt, um in Gottes Liebe und in Liebe zu
Gott leben zu können, ich glaube, dass dies auch ohne Weisheit möglich ist. Sirach versteht
unter Liebe und Weisheit vielleicht auch was anderes als ich heute. Vielleicht ist ein
Erkennen Gottes Größe und Nähe gemeint.
Einen Weg zu finden, sein Leben ohne Angst und mit Hoffnung gut und behütet zu leben –
könnte ein weiser Weg sein.
Die Liebe zu Gott, das ist unser Glaube, braucht Zuwendung, Zeit, Kraft.
Und Entscheidungen, die aus Liebe zu Gott und den Menschen getroffen werden, werden
sich irgendwann als weise herausstellen, davon bin ich überzeugt.
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Die Andacht zum Monatsbeginn August fand auf dem Hof Katthusen statt.
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Andacht zum Monatsbeginn Juli 2022
Gedanken von Ute Mushardt
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Psalm 42,3
Ich möchte den Spruch gern in Zusammenhang mit dem zweiten Teil des Verses 3 betrachten:
Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott zu Dir.
Nach Wasser lechzen ist zwar ein altmodischer Begriff, aber jeder von uns hat diese Situation bestimmt schon einmal erlebt. Gerade zu dieser Jahreszeit:
Sommer. Es ist heiß.
Wir haben Durst.
Da tut eine Quelle gut.
Sie erfrischt, schenkt Abkühlung, löscht den Durst.
Man fühlt sich in dieser Situation richtig durstig, fast ausgetrocknet und schlapp. Nach großen körperlichen Anstrengungen macht uns ein Schluck frisches Wasser wieder lebendig und erfrischt unsere Lebensgeister und gibt uns neue Kraft.
Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel, ohne Wasser gibt es kein Leben, wird das Wasser knapp oder ist es verunreinigt, ist das eine der größten Gefahren für uns.
In der Bibel ist Wasser deshalb auch ein Sinnbild für alles Lebendige und damit auch für Gott. Gott ist die Quelle des Lebens. Er schuf alles Leben und letztlich ist er es, der uns das Leben schenkt.
Manchmal hat auch die Seele Durst.
Durst nach Gemeinschaft, Liebe, Frieden.
Durst nach Gott.
Gott ist wie eine Quelle.
Denn er ist lebendig.
Im Hebräischen heißt das Lebendige übrigens übersetzt „Ava“.
Der Psalmbeter ist augenscheinlich in Not, aber nicht durch äußerliche Probleme, sondern es ist seine Seele, die Durst hat, Durst nach gelingendem Leben.
„Was betrübst Du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken,
dass er mir hilft mit seinem Angesicht.“
Für mich klingt es, als sei der Durst so groß, dass sein Leben in Gefahr ist. Er klagt Gott seine Sorgen und ist sich gleichzeitig gewiss, woher er Hilfe erwartet. Aus seinen Worten lassen sich Verzweiflung und Zuversicht gleichermaßen herauslesen. Der Beter vertraut auf Gott. Er ist sich sicher: Was mir fehlt, finde ich bei Gott. – Aber er ist auch ehrlich und sieht derzeit nicht, in welcher Weise ihm Gottes Hilfe zuteilwird.
Wie geht es uns in unseren schwierigsten Lebenssituationen, in unseren persönlichen Durststrecken?
Kennen wir nicht auch diese Zweifel in uns:
Wo bist Du mein Gott? Hat Gott uns vergessen?
Gerade angesichts der vielen Naturkatastrophen, der Zerstörungen, Überschwemmungen, der Seuchen und Kriege. Kommt da nicht immer wieder die Frage:
Wo bist du, Gott?
Nicht jeder kann dann mehr darauf vertrauen, dass wir auch in der größten Not nicht allein sind. Wie schnell kommen da Zweifel auf und die Glaubensgewissheit wird brüchig.
Aber der Psalmbeter hält sich genau daran fest. Auch wir dürfen Gott um Hilfe bitten, ja um Hilfe schreien, dass er uns Kraft zum Weiterleben gibt. Wir müssen nicht alles mit uns allein ausmachen.
Gott gibt uns Gemeinschaft, meine Seele sehnt sich nach Gottes Gegenwart, bei ihm finden wir Geborgenheit, Verständnis, Anerkennung, Glück, Gesundheit und Gerechtigkeit.
Oft schon in meinem Leben, wenn ich nicht mehr weiterwusste, hat Gott mir einen neuen Weg aufgezeigt, auf dem ich mein Leben weitergehen konnte. So durfte auch ich die Erfahrung machen, dass Gott wie ein Fels ist in einer Brandung, an dem ich mich festhalten kann, damit ich nicht ertrinke. Ich kann mich auf „Ihn“ verlassen, er ist eben ein lebendiger Gott, kein Götzenbild und keine Einbildung.
Ich habe Gott erfahren durch besonders liebevolle Menschen, die sich um mich sorgen, die Gott mir letztlich über den Weg geschickt hat, um mich zu leiten (begleiten) und zu führen.
Darum brauchen wir Gottes Liebe und Zuversicht, wie das Wasser zum täglichen Leben. Dieses Geschenk erhalten wir umsonst, wenn wir es wollen und zulassen und uns danach sehnen.
Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir,
dich zu sehen, dir nah zu sein.
Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück,
nach Liebe, wie nur Du sie gibst.
Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir.
Wir hoffen auf dich, sei da, sei uns nahe, Gott.
Andacht zum Monatsbeginn Juni 2022
Gedanken von Rosemarie Krause
Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod.
Hoheslied 8, 6
Liebe und Tod: Beide stehen für das Unausweichliche, das Elementare im Leben. Sie wirken auf uns als Naturgewalten, regellos, nicht von uns zu beeinflussen.
Liebe und Tod: die helle und die dunkle Seite unseres Lebens.
Das Buch Prediger und das Hohelied im Alten Testament befassen sich mit diesen beiden Themen.
Das Hohelied selbst ist dabei durchgehend von erotischen Liebesliedern gekennzeichnet – ein Bezug zu Gott ist nicht erkennbar. Die Liebe stellt sich hier dar als zügellos, frei von Vorschriften, unabhängig von gesellschaftlichen Regelungen, ohne moralische Verbote. Der menschliche Körper ist Quelle von Genuss. Alles, was zählt, ist die Liebe, sind die Momente des Genusses, ist auch die Sehnsucht danach. Körper, Geist und Seele spüren sich dem anderen nah. Liebe als körperliche Sehnsucht, von der man sich nicht freimachen kann. Auch wenn das Gegenüber dieser Liebe gesellschaftlich nicht akzeptiert ist, wenn es homoerotische Gefühle sind oder durch Ehe oder Konvention Schranken bestehen.
Das geliebte Gegenüber ist einfach verehrungswürdig. Kann es sich mir nicht hingeben, so bleibt mir meine Sehnsucht, denn Ansprüche habe ich nicht. Meine Liebe ist Verehrung und Werbung und es ist das Höchste, wenn ich darin Erfüllung finden kann, wenn mein Geliebter oder meine Geliebte sich mir genauso entgegensehnt. Was mir geschieht, wenn ich so liebe, lässt sich nicht zügeln oder lenken. Ich bin dann von dieser Naturgewalt durchdrungen.
Was hat die Beschreibung solcher Gefühlswelten in der Bibel verloren, wird sich mancher fragen. Wird Liebe hier nicht eigentlich ins Göttliche erhoben?
In der Entstehungszeit des Hohelieds, also zur Zeit des Predigers Salomo, war eine solche Gefahr der Vergöttlichung des erotischen Erlebens nicht zu erkennen, denn der Gottesglaube war unangreifbar die Basis von allem. Eine Welt ohne Gott war kein Thema. In dieser Welt war andererseits Platz für die Auseinandersetzung mit Ereignissen, mit Gedanken und Gefühlen. Platz für die Liebe, Platz für den Tod.
Tod ist Tod. Liebe ist Liebe. Gott ist Gott.
Liebe ist stark wie der Tod. Beide durchdringen unser Leben, wir haben keine Möglichkeit, ihnen auszuweichen.
Liebe im Sinne des Hoheliedes erhält ihr Gütesiegel durch Faszination vom anderen, durch Hingabe an ihn und durch die Ehrlichkeit der Gefühle ohne Scham. Sie ist das Bekenntnis zueinander. Die Partner garantieren sich gegenseitig in den Siegeln ihre Echtheit, sie haben Teil an der Identität des anderen, im Handeln (Armsiegel) und im Gefühl (Herzsiegel). Das Liebessiegel bietet außerdem noch Schutz durch seine Funktion als Amulett: Unglück und Krankheit sollen fernbleiben, Lebenskraft und –freude soll sich vergrößern. Das Amulett als Hilfe zu einem erfüllten Leben.
Ein Bezug zu Gott ist im Hohelied nicht zu erkennen, habe ich am Anfang gesagt. Es geht um erotische Liebe.
Als Naturgewalt aber steht sie hier, wie auch der Tod, als ein Teil der göttlichen Schöpfung.
Dazu noch Gedanken von Dietrich Bonhoeffer:
LIEBE IST STARK WIE DER TOD
Einen Kampf gibt es in der Welt, der ohnegleichen ist, in
den jeder mit einbezogen ist, ein Krieg der höchsten
Gewalten: der Krieg des Todes gegen die Liebe, der Liebe gegen
den Tod, zwei Gegner, die in ihrer Hoheit einander würdig
sind, aber die Liebe ist stark wie der Tod (Hoheslied 8, 6 b); denn
sie ist aus Gott. Auch der Tod ist von Gott, er hat seine Gewalt
nicht aus sich, sondern durch Gott, darum nur kann er der
Liebe trotzen, darum aber muss er auch der Liebe unterliegen,
weil er nur das Vorläufige ist, vor dem Letzten, weil Gott nicht
der Tod, sondern die Liebe ist. Der Tod ist stark über die Welt;
er reißt Wunden, die nie mehr ganz heilen, … er vermag das
Gewaltigste, was es gibt, denn er vermag liebende Herzen zu
trennen, er vermag zu siegen über die Liebe in dieser Welt.
Aber die Liebe ist stark wie der Tod. Der Tod ist stark über die
Welt, die Liebe aber ist stark für die Ewigkeit. … Gott schuf die
Menschen ineinander von Ewigkeit her. Freund und Freund,
Gatten und Gatten, er schuf sie dass der eine seine Seele durch
den anderen fände und läutere, dass sie nicht mehr zwei sondern
ein Leben lebten aus der Liebe. Dietrich Bonhoeffer(Quelle: Barcelona, Berlin, Amerika 1928-1931, DBW Band 10, Seite 524)
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Andacht zum Monatsbeginn Mai 2022
Gedanken von Reinhard Krause
Ich wünsche dir in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlergeht. 3.Joh.2
Wenn ich mich mit einer Losung befasse, dann reicht mir ein rausgerupfter Satz meist nicht ganz aus. Ist der nicht aus einem Zusammenhang gerissen? Der Blick in die Erklärungsbibel führt auf Seite 1805. Und dann ist der Brief auf Seite 1806 auch schon zuende. Der gute Wunsch steht fast im ersten Satz, in der Eröffnung, und ist auch ohne großen Zusammenhang. Ja, es gibt wohl Ärger in der Gemeinde und Gajus leidet unter Männern, die sich stark in den Vordergrund schieben. Wohl nicht im theologischen Sinne des Briefschreibers, der ein Freund des Gajus ist.
Bei jeder Begegnung mit einem anderen Menschen ist es uns wichtig einzuschätzen, wie es ihm wohl geht. Wohl auch körperlich, aber viel wichtiger ist, ob er gut drauf ist. Ausgeglichen, fröhlich oder bedrückt, traurig, verängstigt. Offen für mich oder verschlossen. Es gehört zu den menschlichen Fähigkeiten, ein Gespür für das Gegenüber zu haben. Wo es mir oder dem Gegenüber daran fehlt, ist die Welt nicht in Ordnung. Es kommt zu Missverständnissen, Konflikten, Verletzungen.
Der Verfasser des Briefes wünscht dem Empfänger Wohlergehen. Und das in jeder Hinsicht. Geht ja auch kaum anders. Störungen sind ja oft genug psychosomatisch. Ein Erlebnis schlägt uns auf den Magen. Eine medizinische Diagnose überschattet unser Wohlgefühl. Gegenwärtig prägen Nachrichten und Bilder wie die aus der Ukraine und aus Putins Moskau unsere Stimmung: Brutaler Terror, Mord, Bomben, Raketen, Atomsprengköpfe, biologische Waffen, Chemie: die Drohung mit dem Ende des gewohnten Lebens. Junge Menschen in unserem Land fürchten sich vor Krieg und Klimakatastrophe. So steht es in einer Studie, die in dieser Woche veröffentlicht wurde.
Was unser seelisches Gleichgewicht aufrecht erhält, sind menschliche Bindungen. Aber auch die sind ja verletzlich, zerbrechlich. Nicht wenige Menschen sind einsam. Die Suche nach einer, einem, irgendwas, was da helfen kann, gestaltet sich schwierig. Für den Verfasser des Briefes ist es vermutlich Jesus, der Gott, der als Mensch da ist, leidet wie alle Menschen, Unrecht und Hass erfährt, stirbt und dann doch in anderer Form weiterlebt. Nicht tot zu kriegen. Orientierungspunkt, Sinnstifter, Geschichtenerzähler. Einer, der Bilder der Wirklichkeit malt, die uns auch heute in völlig veränderten Zeiten noch berühren und erreichen können. Und unserer verwundeten Seele Ruhe gibt.
Am nächsten Sonntag werden in Osterbruch die ersten Konfirmandinnen und Konfirmanden des aktuellen Jahrgangs konfirmiert. Jede und jeder hat sich einen Segensspruch ausgesucht, der für sie oder ihn ganz wichtig ist. Nein, die Teenies sind modern, ganz in der Zeit und in dem Wissen, dass sie Gott nicht anfassen können. Er ist der ganz Andere, der Unverfügbare. Aber eine Sehnsucht, einen Wunsch fürs Leben finden und ihm nachstreben, das können Menschen, auch Teenies. Und das tun wir auch, jeden Tag aufs Neue.
Ich habe mir deshalb meinen Konfirmationsspruch vom März 1963 herausgesucht. Er stammt aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 10, Vers 12: „Wenn ihr aber in ein Haus geht, so grüßt es.“ Die Jünger werden ausgesandt, um zu missionieren. Damit habe ich bis heute nicht aufgehört. Es ist mir nicht gleichgültig, was in dieser Welt geschieht. Das gilt bis heute. Und so hat wohl jeder und jede von uns ein Anliegen. Das macht uns ausgeglichen und frei.
Amen
Die Andacht zum Monatsbeginn April fand in der Kirche statt.
Gedanken von Carolin Pappe
Maria von Magdala ist es, die den Jüngern erzählt, dass sie Jesus gesehen hat und sie ist es,
die den Auftrag von Jesus bekommen hat, die Nachricht von seiner Auferstehung weiter zu
sagen. Um etwas besser zu verstehen, in welcher Situation Maria ist lese ich das Kapitel 20
bis zum Monatsspruch:
Johannes 20, 1–18:
1 Am ersten Tag der Woche kommt Maria Magdalena früh, als es noch finster war,
zum Grab und sieht, dass der Stein vom Grab weggenommen war. 2 Da läuft sie und
kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht
zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht,
wo sie ihn hingelegt haben. 3 Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus, und sie
kamen zum Grab. 4 Es liefen aber die beiden miteinander, und der andere Jünger lief
voraus, schneller als Petrus, und kam als Erster zum Grab, 5 schaut hinein und sieht
die Leinentücher liegen; er ging aber nicht hinein. 6 Da kam Simon Petrus ihm nach
und ging hinein in das Grab und sieht die Leinentücher liegen, 7 und das Schweißtuch,
das auf Jesu Haupt gelegen hatte, nicht bei den Leinentüchern, sondern daneben,
zusammengewickelt an einem besonderen Ort. 8 Da ging auch der andere Jünger
hinein, der als Erster zum Grab gekommen war, und sah und glaubte. 9 Denn sie
verstanden die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste. 10 Da
gingen die Jünger wieder zu den anderen zurück.
Maria Magdalena
11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie
sich in das Grab hinein 12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu
Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. 13 Und
die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn
weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 14 Und als sie das
sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. 15
Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der
Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du
ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen. 16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie
sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! 17 Spricht
Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh
aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und
eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. 18 Maria Magdalena geht und
verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was er zu ihr gesagt
habe.
Was erlebt Maria innerhalb kürzester Zeit?
Ein leeres Grab, ungläubige Jünger, die selbst nachschauen wollen und resigniert wieder
gehen, eine Begegnung mit zwei Engeln, die mit ihr reden, ein Gärtner, der sich als Jesus
herausstellt und sie darf ihrer Freude darüber, dass er lebt, nicht Ausdruck verleihen und ihn
umarmen, wird zurück gewiesen „Rühr mich nicht an!“ und erhält einen Auftrag und wird
weggeschickt. In den letzten Tagen so viele Empfindungen und Erlebnisse –
wie ging es ihr wohl mit all dem?
Maria ist hier die wichtigste Auferstehungszeugin so wie sie zwei Tage vorher neben Jesu
Mutter Maria Augenzeugin des Todes geworden war. Bei Johannes Evangelium ist sie nun
allein auf dem Weg zum Grab und allein konfrontiert mit der Leere, so fixiert auf den Verlust,
dass sie den Auferstandenen nicht erkennt und dies gar nicht für erwartbar halten kann.
Doch dann wird sie zur ersten Botschafterin der Auferstehung und zur Verkünderin der
Himmelfahrt Jesu.
Nicht Petrus steht im Zentrum, sondern Maria ist auserwählt, ihn direkt zu erleben, die
Osterbotschaft zu verkünden – die am stärksten trauerte, weinend am Grab zurück bleibend.
Maria – eine Frau: in einer männerdominierten Zeit, als Frauen in der Rechtsprechung
nicht mal als Zeugen auftreten durften, als eine Männerstimme mehr
Gewicht hatte als viele Frauenstimmen zusammen.
Zudem Maria aus Magdala, einem sündhaften Ort, sie ehemals Prostituierte, Jesus heilte sie
durch das Vertreiben sieben böser Geister.
Die beiden Jünger – innerer Kreis – verstehen noch nicht, was das leere Grab bedeutet.
Maria darf – nicht zum Kreis der Zwölf gehörend – die Botschaft empfangen, darf aber nicht
berühren, der zweifelnde und etwas am Rande stehende Thomas (ein Mann) wird später
aber zur Berührung aufgefordert.
Frauen damals galten als nicht glaubwürdig – hier erscheint v. a. aber Maria als authentisch
in ihren Gefühlen und ihrem Verhalten. Im Gegensatz dazu ist das Wettrennen der beiden
Jünger ein Geltungsstreben, sich in Szene setzen von Erwachsenen?
Jesus wendet sich am Rande stehenden zu, auch nach seinem Tod, die Hoffnung der
Auferstehung gilt für alle!
Wer hat eigentlich bei uns was zu sagen? Auf wen wird gehört?
Politiker – oft Männer, erwachsen
Wirtschaftsunternehmer, oft Männer, erwachsen
Kirche – Hauptamtliche, Erwachsene, Männer?
Weiße Männer?
Und Kinder? Migranten? Am Rande der Gesellschaft stehende?
Ebenso wie Maria treten auch Kinder authentisch auf, äußern ehrlich was sie denken, fühlen,
ohne ein zweites Gesicht.
So wie Maria als unreine und Frau ein erste Zeugin und Botschafterin wurde – können wir
Menschen am Rande der Gesellschaft mitdenken lassen, hineinnehmen oder zu ihnen hinaus
gehen und auf ihre Stimme hören? Für eine gerechtere Welt? Für eine hoffende Welt?
Wenn nicht ein einzelner weißer Mann seine Macht demonstriert, sondern viele Kinder,
Frauen, Alte was sagen und entscheiden würden, dann wäre der Krieg schnell beendet und
nicht begonnen worden.
An Gott zu glauben in leichten Zeiten verlangt uns wenig ab.
In schwierigen Zeiten, mit Hadern, Angst wie Maria Magdalena, wieder zu innerem Glauben
und Festigkeit zu finden, ist zum einen Arbeit und zum anderen Geschenk Gottes, das er uns
ohne Gegenleistung gibt und ich für uns alle erbitten möchte.
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Die Andacht zum Monatsbeginn Februar 2022 finden Sie –> hier.
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Andacht zum Jahresbeginn 2022
am 7. Januar 2022 um 18 Uhr in der Sankt Severi Kirche
Jahreslosung 2022: Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen (Johannes 6, 37)
Orgelvorspiel: Choralbearbeitung „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ von Niels Wilhelm Gade (Kai Rudl an der Orgel)
Votum und Begrüßung: Schön, dass Sie da sind. Wir haben Sie eingeladen, Sie haben sich auf den Weg gemacht, denn Sie sind auf der Suche und sind jetzt hier. Wir wollen mit Ihnen über die Jahreslosung nachdenken und Perspektiven für das neue Jahr gewinnen.
Die Losung für das Jahr 2022 lautet: Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Das ist eine Einladung mit einer Zusage: wir werden nicht abgewiesen werden.
Wie sieht das aus bei Ihnen? Sicher sind Sie schon mal irgendwo abgeblitzt, bei irgendwem. Sie wollten jemandem etwas mitteilen oder von ihm etwas erbitten oder Sie brauchten gar Hilfe – und der oder die Andere wies Sie zurück! Ließ sie im Regen stehen.
Oder Sie selbst haben jemanden vor den Kopf gestoßen, der etwas von Ihnen haben wollte. Wie hat sich das angefühlt? In beiden Fällen nicht so gut, glaub ich.
Ich freue mich, wieder Klaus Volkhardt und Jan de Grooth bei uns begrüßen zu dürfen, die uns musikalisch unterstützen werden. Zusammen mit Kai Rudl werden sie die Musikakzente im Ablauf setzen.
Schauen Sie jetzt bitte das Bild zur Jahreslosung an. Wir stehen in einem blau-dunklen Raum. Lichtschein erreicht uns aus einer geöffneten Tür. Im hellen Raum hinter dieser offenen Tür sehen wir Wein und Brot, erreichbar für uns, die Symbole für das Blut und den Leib Christi. Der Griff dieser Tür ist eigentlich zu groß. An einer Kette über der Tür hängt ein dazu passender übergroßer Schlüssel, gehalten im Unsichtbaren. Der obere Teil des Schlüssels ist ein Kreuz, ein Kreuz, das uns so perspektivisch sehr nahe gekommen ist. Die Tür steht offen, der symbolhaltige Schlüssel ist zum Greifen nah, das Bild sagt intensiv: Ich erwarte dich. Komm her zu mir. Hier ist gut sein.
Soeben, am Anfang dieser Andacht, haben Sie eine Choralbearbeitung zu dem 500 Jahre alten Kirchenlied „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ gehört. In der 4. Strophe heißt es: Herr Jesu, du mein trautes Gut, / dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut / mich innerlich erquicken. / Nimm mich freundlich / in dein Arme und erbarme / dich in Gnaden; auf dein Wort komm ich geladen.
Diese Einladung, diesen direkten Weg zu Gott für alle und jeden, gab es aber nicht immer. Zur Zeit Jesu trennte ganz konkret eine Reihe von Barrikaden und schließlich ein Vorhang uns unheilige Menschen vom heiligen Gott dahinter. Auf einem Absatz zwischen den Treppenstufen, die damals zum Tempel in Jerusalem hinaufführten, befand sich ein jüdisches Tauchbad, eine „Mikwe“. Man musste auf der einen Seite seine Kleider ablegen, in das rituelle Wasserbecken hineinsteigen, untertauchen und konnte dann, gereinigt und in neue Kleider gehüllt, auf der anderen Seite weitergehen bis zum inneren Tempelbereich. Wer diesen Vorschriften nicht entsprach, kam nur bis in den Vorhof. In das Innerste des Tempels aber, dorthin, wo nach religiöser Auffassung Gott wohnte, wo der Vorhang hing, kam überhaupt niemand. Nur einmal im Jahr durfte den Raum dahinter der Hohepriester betreten. Als Jesus starb, zerriss der Vorhang im Tempel. So erfahren wir es in den Evangelien. Der Weg zu Gott ist dadurch freigeworden.
Wer zu Jesus kommt, den wird er nicht abweisen. In alle Ewigkeit nicht. (Rosemarie Krause)
Lied Meine Hoffnung und meine Freude – HuT 134
Psalm 36 6Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
7Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes /und dein Recht wie die große Tiefe. Herr, du hilfst Menschen und Tieren.
8Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!
9Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses, und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.
10Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.
Jahresanfangsgebet
Der Stern über der Krippe erlosch, die Heilige Nacht versank, das Jahr geht fort.
Herr, lass es dein Jahr fortan sein, durch das ich gehe, geleitet an deiner Hand, als jemand, der dein Licht gesehen hat.
(nach Johann Christoph Hampe)
Lied Nun lasst uns gehn und treten – EG 58, 1-3 und 13-15
Gedanken zur Jahreslosung:
Ludwig Feltrup: Ob uns der Himmel wohl barmherzig gewesen ist im vergangenen Jahr? Jesus hatte es ja versprochen in der letzten Jahreslosung (Lk. 6,36): Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Es gibt hier keine Bedingung wie: Der Vater ist nur dann barmherzig, wenn ihr es auch seid. Eher ist es andersherum: Der Vater ist barmherzig, also seid ihr es bitte auch. Aber ist er denn barmherzig gewesen zu uns im letzten Jahr?
Das kann nur jede und jeder von Ihnen selber entscheiden. Und manchmal ist es ja so, dass wir die Barmherzigkeit lange nicht erkennen können. Wir sehen das, was ist, und rätseln herum, warum das so ist und warum wir das bekommen. Es kann lange dauern, bis wir einen Sinn erkennen, wenn überhaupt. Ich bin dann oft erstaunt, wenn Menschen auch in weniger Schönem noch Barmherzigkeit erkennen, ja, eine Zuwendung Gottes.
Wie ist das für Sie?
Nicht jede Barmherzigkeit gleicht der anderen. Und nicht jede Barmherzigkeit erkennen wir auch als solche. Zuwendungen Gottes sind nicht immer leicht zu deuten. Manchmal werden sie missverstanden. Wir haben dann nur eine Möglichkeit, nämlich: Jesus zu glauben. Der Barmherzigkeit des Vaters zu vertrauen und – selber barmherzig zu sein, ohne Wenn und Aber. Lassen wir einfach das gegenseitige Aufrechnen von Schuld und Fehlern sein. Wir müssen die ja nicht gleich lieben, die angeblich an uns schuldig geworden sind. Aber wir können barmherzig sein.
Schon wer das Aufrechnen sein lässt, zeigt sich barmherzig; zu sich und anderen. Tragen wir unseren Missmut nicht immer zu den anderen. Tragen wir ihn doch zu Jesus selbst. Der hat wieder ein Versprechen für uns, auch in der Losung für dieses neuen Jahr 2022. Da sagt Jesus (Joh. 6,37): Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Vielleicht ist das ein wichtiger Hinweis für unsere Arten und Weisen, mit anderen Menschen zu leben.
Lasst uns erst einmal zu Jesus gehen. Das klingt ein wenig seltsam, merke ich selber, vielleicht etwas bieder. Aber ich meine es wirklich so.
Lasst uns erst einmal zu Jesus gehen mit unserem Ärger, dem Missmut und unseren Wünschen nach Heimzahlen. Bevor wir in die Gefahr geraten, unbarmherzig zu werden, lasst uns einmal noch einhalten, sozusagen, ein Gebet lang einhalten und überlegen: Könnte ich auch anders sein? Vielleicht weniger schroff, weniger verschlossen – dafür aber etwas gelassener, vielleicht sogar mit ein wenig Heiterkeit? Nein, leicht ist das nicht. Wir leben ja oft in bestimmten, lange geübten Mustern. Oder wir haben die Muster anderer übernommen. Meistens hilft uns das, sonst täten wir es ja nicht. Aber manchmal hilft es eben auch nicht.
Um das genauer zu erkennen, könnte es wirklich eine Hilfe sein, im Zweifelsfall einige Augenblicke oder auch länger bei unserem Herrn zu verweilen und zu überlegen: Ist es gut, was ich jetzt vorhabe? Wäre Jesus damit einverstanden?
Erbarmen wird gerne empfangen, aber oft nicht gerne gegeben. Weil Jesus das weiß, bittet und verspricht er uns: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Wer Rat sucht bei Gott, wird ihn bekommen. Wer Momente der Ruhe sucht bei Gott, wird sie bekommen und dann überlegter handeln. Das lohnt doch wirklich, sich darauf einzulassen. Also lasst es uns doch einfach versuchen!
Musik: „Tie a yellow Ribbon round the old oak tree“ (Klaus Volkhardt + Jan de Grooth)
Carolin Pappe und Ute Mushardt: Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Joh. 6, 37
Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich! Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater.
Erinnerst du dich noch? Letztes Jahr zu dieser Andacht haben wir uns mit dem Gleichnis vom verlorenen Sohn beschäftigt, da ging es um Barmherzigkeit.
Nun sind wir schon wieder in diesem Text – diesmal geht es um das Abgewiesenwerden oder das Nichtabgewiesensein. Der Sohn macht sich aus seiner Notlage heraus auf, um zurückzugehen – ein schwerer Weg, der viel Überwindung gekostet haben muss. Aber der Weg lohnt sich, der Vater weist ihn nicht ab!
Und dann ist da noch der Bruder, der aus unserer Sicht zu recht wütend und sauer ist. Sein Vater geht zu ihm und bittet ihn, die Rückkehr des Bruders mitzufeiern, aber er kann das nicht:
Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.
Wir weisen wohl manches Mal auch Menschen ab, wir können sie nicht uneingeschränkt annehmen, jeder von uns wird wohl solche Momente erinnern ….
Gott weist nicht ab – hier kommen wir zur Jahreslosung 2022:
Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Oder, anders übersetzt: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinauswerfen. – hier spürt man, dass es nicht eine fröhlich-freundliche Einladung Jesu ist, der von uns gern gehörten Liebe Gottes zu allen Menschen. So schauen wir etwas genauer in das sechste Kapitel bei Johannes, aus dem die Jahreslosung stammt:
Erzählt wird hier vom Wunder der Speisung der 5000. Jesus macht mit fünf Broten und zwei Fischen eine sehr große Menschenmenge satt. Die Jünger werden zur Austeilgemeinschaft und geben weiter, was Gott vermehrt hat.
Doch dann kippt die Stimmung: Diejenigen, die satt geworden sind, wollen Jesus zum „Brotkönig“ machen – wie großartig wäre es denn, wenn derjenige, der mit so wenig so viele Menschen satt machen kann und dann auch noch zahlreiche Reste einsammeln lässt, unser König wird? Es würde keinen Hunger mehr geben.
Jesus entzieht sich dieser Erwartung zunächst, in dem er sich zurückzieht. Doch die Menschen lassen nicht locker und gehen ihm nach. Dann erzählt
Jesus, weshalb er das „Brot des Lebens“ ist und was das bedeutet.
Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von dem Brot gegessen habt und satt geworden seid. Müht euch nicht um Speise, die
vergänglich ist, sondern um Speise, die da bleibt zum ewigen Leben.
Wie können wir uns um diese Speise aber bemühen? Wir wollen gern das Brot des Lebens erhalten, es verspricht uns ewiges Leben, wenn wir
glauben. Glauben aber ist suchen und sich auf den Weg machen.
Nach einem Herrn Maslow gibt es – dargestellt in einer Pyramide – verschiedene Bedürfnisse, die wir haben und deren Erfüllung notwendig ist, um Bedürfnisse auf einer höheren Ebene verwirklichen zu können. Erst wenn die Grundbedürfnisse erfüllt sind (Nahrung, Kleidung, Wohnung), können wir uns – gesättigt – mit anderen Dingen befassen. Jesus stillt hier zuerst das Grundbedürfnis nach Nahrung, dann aber müssen wir uns selber auf den Weg machen, aktiv werden, versuchen zu glauben.
Der Glaube selbst aber ist auch Gottes Werk und auch ein Gezogen werden, nicht nur ein
sich ziehen lassen, hier verlangt es unsere Aktivität, aber auch ein sich darauf einlassen, was
Gott tut und mit uns vorhat.
Ich bin das Brot des Lebens. …. So wird auch, wer mich isst, leben um meinetwillen. Dies ist
das Brot, das vom Himmel gekommen ist. … Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.
Der „Brotkönig“ wäre nicht der gestorbene und auferstandene Christus geworden. Menschen hätten eventuell dauerhaft zu essen gehabt, aber der eigentliche Hunger wäre geblieben.
Letztlich rettet Jesus mit seiner vordergründigen Abweisung seinen weiteren Weg zum „Brot des Lebens“.
Wir bleiben in unserer Suche und unserem Leben klein und unvollkommen, wir schaffen es
nicht, Menschen nicht abzuweisen, wir sind nicht immer einladend.
Die Kraft und Stärke unserer Jahreslosung liegt aber darin, dass Jesus es nicht
tut, er weist niemanden ab, der zu ihm kommt, niemals!
Musik: “Ruby” (Klaus Volkhardt + Jan de Grooth)
Reinhard Krause: Das Menschenbild, das sich in der Geschichte der jüdischen Religion entwickelt hat, bekennen wir ja auch in unserem Glaubensbekenntnis: Gott als Schöpfer. Schöpfer auch jedes Menschen. Jeder ist gewollt: Ob in unseren Augen geniale oder behinderte Menschen vor uns stehen: sie sind von Gott gewollt, seine Kinder. Das ist großartig. Das sind ohne den religiösen Bezug gesprochen die Menschenrechte, die in unserem Land auch gesetzlich jedem Menschen zustehen. Zumindest theoretisch. Im Alltag muss darum oft gerungen werden.
In den meisten Ländern der Erde gilt so etwas nicht. Und aus unserer Geschichte wissen wir, wie schnell die Menschenrechte vom Tisch sind. Behinderte werden zu lebensunwertem Leben und landen in Gaskammern. Juden werden ausgeschlossen, verfolgt, enteignet, verschleppt, vernichtet. Sinti und Roma auch. Homophile Menschen oder auch nur Andersdenkende erleiden das gleiche Schicksal.
Aktuell ereignet sich viel Grausames immer noch rund um den Erdball.
Das Brot des Lebens, von dem in der Umgebung unserer Jahreslosung im Johannesevangelium gesprochen wird, ist auch heute nicht immer im Vordergrund der Überlebensstrategie von uns Menschen. „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ heißt es bei Bertold Brecht in der „Dreigroschenoper“. Das Brot des Lebens muss man sich erstmal leisten können. Aber es ist da. „Alles was der Vater mir gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen;“ heißt es in unserer Jahreslosung.
Die Suchenden können kommen. Sie sind eingeladen und werden nicht abgewiesen. Nicht abgewiesen bei der Suche nach einem guten Leben. Nach den Spuren des Himmelreichs mitten unter uns. Aber Offenheit für Neues muss schon sein. Fertige Hassgefühle, abgeschlossene Weltbilder ohne Fragezeichen haben hier keinen Platz. Auch in unserem Land, aber nicht nur hier, toben ja wahnwitzige Mobs mit Gewaltbereitschaft durch die Lande. Mal müssen Zugewanderte oder Flüchtlinge als Feindbilder herhalten, mal wunderbar wirksame Impfstoffe als Waffen von Feinden bekämpft werden. Menschengruppen wie Wissenschaftler:innen, Politiker:innen und erneut auch die Juden werden aktuell angefeindet und mit Terror überzogen.
Für mich fordert die Jahreslosung nicht dazu heraus, Gruppen zu tolerieren, die unsere Erde zur Hölle machen, Angst und Hass schüren. Die müssen solange vor der Tür bleiben, wie sie nicht hungern nach einem neuen, gemeinsamen Leben. Dann aber sind sie alle willkommen. Im Johannesevangelium bei Jesus. Und in unserer Kirchengemeinde als Gemeinschaft der Heiligen, wenn sie mit uns auf der Suche nach Sinn und Gerechtigkeit sind.
Und wir selbst dürfen schreien und rufen in unserer Sehnsucht nach Angenommensein und Geborgenheit, wie es auch das nun folgende Lied erzählt:
„You’ve got a friend…“ Amen
Musik: „You’ve got a friend“ (Klaus Volkhardt + Jan de Grooth)
Fürbittengebet
Vaterunser
Segen
Lied Von guten Mächten (EG 65, HuT 27)
Jahresrückblick des Kirchenvorstands
Herzlich willkommen an Sie alle und ein gesundes, gutes und neues Jahr wünsche ich Ihnen im Namen des Kirchenvorstandes. Wieder ein Neujahrsempfang, der anders läuft als wir es jahrelang durchgeführt haben – mit Gemeindegesang, Buffet – zusammengetragen von vielen Gemeindegliedern, Begrüßung der neuen Gemeindeglieder und ein gemütliches Beisammensein, um uns bei guten Gesprächen mehr kennenzulernen.
Corona hat uns nach wie vor fest im Griff. Wer hätte das gedacht? Ich nicht – Ostern war ich noch der Meinung, „es wird alles besser“
Jetzt gibt es Perspektiven für das neue Jahr 2022 Corona.
Wieder ein Wortspiel. Wofür könnte Corona stehen? Z.B.:
C – wie CHANCE oder Chancen nutzen. Die eigene Sichtweise ändern. Die Chance nutzen, in sich hineinzuhören, was brauche ich alles. Will ich wirklich alles wieder haben: Stress mit vielen Terminen, keine Zeit haben für wichtigere Dinge im Leben. Die Chance nutzen, vielleicht so noch mehr über uns und unsere Mitmenschen gelernt zu haben. Was brauchen meine Nachbarn, Freunde? Vielleicht einfach nur Zuwendung oder Hilfe den eingeschränkten Alltag zu überstehen. Die Chance nutzen, etwas verändern.
O – wie OPTIMISMUS. Optimismus, dass wir diese unwirkliche Zeit überstehen. In meiner täglichen App „Ich brauche Segen“ las ich die letzten Tage: „Gott gebe dir Flausen in den Kopf, Schmetterlinge in den Bauch und Liebe in dein Herz“. Ich habe für mich hinzugefügt: und einen gesunden Optimismus, um trotz alledem mit einem Lächeln durchs Leben zu gehen.
R – wie RÜCKSICHT. Rücksicht auf unsere Mitmenschen, nicht nur bei der Einhaltung der sich ständig ändernden Hygienemaßnahmen, sondern auch hier ein Wortspiel: zuRÜCK wollen wir sehen mit Dankbarkeit, dass wir trotzdem oder besonders wegen Corona neue Formen der Gottesdienste feiern durften, diese kennengelernt haben und vielleicht in unser Repertoire aufnehmen, wie z.B. der Gottesdienst am Küchentisch oder einmal eine Online-Andacht, wie es der Andachtskreis gemacht hat. Oder vielleicht auch nur etwas mehr Zeit für sich selber haben.
Das war RÜCK, jetzt kommt die SICHT. Die Sicht wollen wir jetzt aber noch nach vorne richten, denn zuRÜCKblicken bringt uns nicht weiter. Wir wollen sehen, was wir sonst noch schaffen, was müssen wir noch erledigen, anpacken, weiterentwickeln oder auch zu Ende bringen.
O – wie OFFENHEIT – Offenheit gegenüber jedem und sich selbst eingestehen, auch einmal traurig, genervt oder verzweifelt zu sein. Offenheit heißt, auch andere Meinungen zu akzeptieren. Offenheit zeigen bei neuen Formen der Kontaktaufnahme und Kontaktpflege.
N – wie NÄCHSTENLIEBE ist für mich Zuwendung, Hilfe für Menschen in schwierigen Zeiten. Diese Nächstenliebe haben sicher einige von uns erfahren, durch Einkaufsservice, mit Hilfestellung bei Quarantäne Zeiten, verbringen von gemeinsamer Zeit oder einfach nur „DA“sein.
A – wie AKTION „HOFFNUNG“ das Hoffen; Vertrauen in die Zukunft; Zuversicht in Bezug auf das, was die Zukunft bringen wird. Ich hoffe auf viele schöne Begegnungen mit Ihnen, den Gemeindemitgliedern, den Neubürgern – ob alt ob jung – und dankbar sein, dass wir gesund sind und hoffentlich bleiben.
ODER NUR KNAPP UND KURZ:
Ich nehme die Chance wahr, optimistisch in das neue Jahr 2022 mit Rücksicht auf alle Belange in unserer Gemeinde zu gehen. Ich hoffe, auf ihre Offenheit, das auszusprechen, was Ihnen auf der Seele liegt und ihre Sorgen und Nöte mit uns als Kirchenvorstand zu teilen. Mit Nächstenliebe von jeder bezogen und für jede Person sehe ich dem neuen Jahr 2022 in der Aktion „Hoffnung“ entgegen.
Ich möchte mich bedanken beim Team des Andachtskreises, das auch im letzten Jahr jeden Monat eine Andacht (11 x Mal bereits) zum Monatsbeginn gestaltet hat. Die Mitmachenden haben sich auch zwischendurch auf ein neues Format – Online-Andacht – eingelassen und auch jetzt zu Beginn des neuen Jahres sind sie wieder aktiv dabei. Vielen Dank.
Bedanken möchte ich mich beim gesamten Kirchenvorstand und den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern, die alle auch im letzten Jahr unter erschwerten Bedingungen Kirchenvorstandsarbeit geleistet haben. Immer wieder galten geänderte Hygienevorschriften, die die Arbeit im Kirchenvorstand nicht einfacher gemacht haben.
Bedanken möchte ich mich im Namen des gesamten Kirchenvorstandes, dass SIE uns treu geblieben sind. SIE sind hier, weil Sie Kirche nach wie vor für wichtig halten.
Ich wünsche Ihnen im Namen des Kirchenvorstandes ein gutes neues Jahr. Bleiben Sie gesund
(Silke Becker)
Orgelnachspiel: Fanfare D-Dur von Nicolas Jacques Lemmens
(Kai Rudl an der Orgel)
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2021 – Andacht zum Monatsbeginn – Dezember
Monatslosung: Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR. (Sacharja 2, 14)
Gedanken von Rosemarie Krause
Wie heißt du? Wo wohnst du? Wer bist du? Darf ich mal mit? – Das war die etwas nervige Kontaktaufnahme eines frisch zugezogenen Nachbarskindes in meiner Kindheit.
Komm, wir wohnen zusammen, in zwei möblierten Zimmern in derselben Wohnung. – Dieser Plan mit meiner Freundin bei Studienbeginn versprach gegenseitige Unterstützung, Wohnwärme und gleichzeitig Eigenständigkeit. So fing mein Wohnen außerhalb des Bauernhofs meiner Familie an. Der Schutz dort hatte sich nach den glücklichen Jahren der Kindheit in Enge und Bevormundung gewandelt.
Später wohnte ich allein und genoss es, nicht fremdbestimmt zu leben und immer nach draußen zu können, zu studieren, zu erleben, Freunde zu haben.
Dann die Wohngemeinschaft: Ich musste meinen Einzug dort quasi beantragen, mich bewerben. Große Freude, als man mich nahm! Wir waren sechs, Studierende und Arbeitende, und für das gemeinsame Leben dort gab es Regeln, die einzuhalten waren: Einkaufen, Kochen, Putzen. Die gegenseitige Akzeptanz war wichtig, Rücksichtnahme. Nach Möglichkeit teilten wir auch Erlebnisse miteinander. Wenn es jemandem schlechtging, durfte er sich bei den anderen ausweinen. Wenn jemand seine Ruhe brauchte, musste das kein Problem werden, aber wenn einer mal ganz laut Musik hören wollte, war das auch begrenzt möglich. Als wir eine neue Mitbewohnerin suchten und sich eine Frau vorstellte, die mit Magersucht zu kämpfen hatte, ging das demjenigen, der bei uns den Ton angab, zu weit: wir seien keine therapeutische WG. Er setzte sich durch. Als wir bemerkten, dass ein Mitbewohner schwul war, stellte ich fest, dass das schöne Ziel, tolerant zu sein, noch nicht ganz erreicht war, aber ich bemühte mich.
Miteinander wohnen war gar nicht so leicht. Und als es bei mir aufs Examen zuging, zog ich dann doch lieber aus, um konzentrierter arbeiten zu können.
In unserem Bibeltext geht es zwar auch ums Zusammenwohnen, aber es ist doch ganz anders: Es ist beileibe kein Antrag, den Gott stellt, um bei den Menschen zu wohnen. Man kann das auch nicht einfach ablehnen. Nein: Er wird als König kommen, aber nicht als Herrscher, sondern als Helfer. Der Prophet Sacharja kündigt ihn dem Volk Israel an: Die Menschen, die nach 50 Jahren Knechtschaft in Babylon nun in ihr eigenes Land zurückkehren durften, bauen unter großen Mühen ihren Tempel wieder auf. Immer wieder verlässt sie der Mut und die Kraft, an dem großen Werk weiterzuarbeiten. Sacharja malt ihnen ein Hoffnungsbild: Der Tempel, das ist nicht nur ein lebloses Stück aus Holz und Stein, nein – Gott selbst wird in diesen Tempel einziehen. Er wird damit zeigen, dass Juda als sein Volk weiter zu ihm gehört, dass es sein besonderes Eigentum ist. Viele Völker sollen sich zu ihm wenden und sein Volk sein, aber seine Wohnung wird im Tempel des Volkes Israel sein.
Anders als in meiner WG wird Gott natürlich das Regelwerk setzen, aber nicht als Despot, sondern als liebender Gott, demütig und gerecht. Die Menschen, bei denen er wohnt, können Gefühle und Alltagserfahrungen miteinander und mit ihm, Gott, teilen. Sie können bei ihm Geborgenheit, Sicherheit, Heimat finden. Das Regelwerk aber, die 10 Gebote und das Gebot der Nächstenliebe, bleiben dabei nicht außen vor. Angst vor Kontrolle könnte entstehen. Zugleich mit dem Gefühl von Aufgehobensein.
Sacharja sprach damals zum Volk Israel. Wie würden wir uns fühlen, wenn er das zu uns sagte? Was würde sich bei uns, bei mir ändern, wenn ich wüsste, dass Gott bei mir wohnen will? Würde ich anders lieben und Rücksicht nehmen, wenn ich merke, dass auch auf mich anders Rücksicht genommen wird und dass ich geliebt werde? Würde ich mit festen Füßen im Leben stehn? Würde Ängstlichkeit bei mir wachsen, Angst vor Kontrolle? Oder vielleicht doch Geborgenheit, Sicherheit und Wohlbefinden?
„Freue dich und sei fröhlich, (du Mensch)…! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR.“
Oder: Ich weiß, wie du heißt.
Ich weiß, wo du wohnst.
Ich weiß, wer du bist.
Ich komm mal mit und wohn bei dir. Freu dich!
Amen
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2021 – Andacht zum Monatsbeginn – November
Monatslosung: Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und die Geduld Christi.
2. Thessalonicher 3.5
Gedanken von Reinhard Krause
Zwei Briefe an die Thessalonicher finden sich in unserer Bibel, die beide behaupten von Paulus verfasst zu sein. Bibelwissenschaftler halten das für Fake. Die Inhalte und die Sprache stimmen nicht überein und stammen aus verschiedenen Zeiten mit unterschiedlichen Überzeugungen. Der erste Brief stammt wohl von Paulus, der Thessaloniki auf seinem Missionszug durch Griechenland gestreift hat, aber dort nicht lange blieb. Die Stadt war feindselig und er zog weiter. Er war aber neugierig, was von seinem Auftreten geblieben war und schickte Timotheus nach Thessaloniki, der gute Nachrichten zurückbrachte: es gibt eine christliche Gemeinde! Aber auch Fragen. Wann kommt endlich der uns versprochene auferstandene Christus und was passiert mit denen, die nun schon gestorben sind? Um 50 nach Christus schickt Paulus Zuversicht: alle verstorbenen Christen werden auferweckt und beteiligt an der neuen Welt.
Der zweite Brief stammt aus dem 2. Jahrhundert und teilt die Naherwartung der Wiederkunft Jesu nicht mehr. Es wird dauern. Es gibt Erwartungen, was vorher noch passieren muss. Und es gibt Kritik an Gemeindegliedern, die es zu Paulus’ Lebzeiten nicht gab. Nämlich an solchen, die die Endzeit für gekommen ansehen, nicht mehr arbeiten und es sich gemütlich machen. Aussteiger.
Der Monatsspruch steht in einer Wunschliste. Dem realen Absender scheint es nicht gut zu gehen. Er wünscht sich ein Gebet für die eigene Gemeinde, in der der Glaube lebendig sein soll wie in Thessaloniki und sie soll von falschen und bösen Menschen befreit werden, „denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding.“ So die Luther-Übersetzung. Der Glaube ist also nicht selbstverständlich. Kein Selbstläufer und umstritten. Und dann kommt dieser Satz: „Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.“
Die Menschen sollen, so lese ich das, also geduldig warten auf die Wiederkehr des Christus, die so wenig absehbar ist für die Christen wie die Hoffnung der jüdischen Gläubigen auf den Messias. Und solange sollen sie ihr Leben auf die Liebe Gottes ausrichten. Was das bedeutet und was das Wort Gott bedeutet und wie im Angesicht der Nöte dieser Welt dessen Liebe erkennbar ist, wird nicht ausgeführt. Durch die Geschichte der Christenheit und die Geschichte des jüdischen Glaubens, zu dem sich der Jude Jesus bekannte, gab es und gibt es ganz unterschiedliche Antworten der Menschen, die Gott für sich erfahren haben. Für mich gehört die Hoffnung dazu, dass diese ungerechte Welt mit Hungernden und Dürstenden nicht das letzte Wort ist. Sondern meine Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Sättigung aller erfüllt werden wird.
Danach sieht es rein faktisch nicht aus und die Erkenntnis, dass unsere Lebensgrundlagen, von Christen liebevoll Schöpfung genannt, in Gefahr sind, wie die laufende Weltklimakonferenz in Glasgow zeigt, ohne dass es nach einer ernsthaften Wende aussieht, ist auch kein ermutigendes Zeichen.
In der Süddeutschen Zeitung wird heute zu ihrem 100. Geburtstag Margot Friedländer zitiert: Die Zukunft mache ihr Sorgen, sagt sie, „die Welt ist so verrückt und schrecklich.“ Aber sie werde weitermachen, und das gebe ihr Hoffnung. „Ich habe das Gefühl, ich werde etwas hinterlassen, mein Leben hat einen Sinn gehabt.“
Was diese genau heute 100 Jahre alte Jüdin, die ihre Kindheit in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wohlbehütet in Berlin verbracht hat und 1942, als sie von der Zwangsarbeit nach Hause kommt, ihre Mutter und den 16 Jahre alten Bruder, die von der Gestapo verhaftet wurden, nie mehr gesehen hat, da sie in Auschwitz getrennt und getötet wurden. Diese Jüdin, die sich 2 Jahre obdachlos in Berlin zu verbergen sucht, ehe sie 1944 doch noch aufgegriffen und nach Theresienstadt deportiert wird. Diese Jüdin, die 1946 als Überlebende nach New York auswandern kann und mit ihrem Mann eine Existenz aufbaut und im Alter von 89 Jahren zurückkehrt nach Berlin, um Jugendlichen in den Schulen ihre Lebensgeschichte zu überbringen, damit das Leiden nicht umsonst war: Sie macht mir Mut auch immer neu weiterzuleben.
Ich bin ich immer noch auf der Suche nach diesem Gott der Liebe und des Lebens. Ich habe nichts dagegen, dass mein Herz auf die Liebe dieses Gottes ausgerichtet wird und meine Hoffnungen lebendig bleiben.
Amen
Das folgende Lied nennt einiges, was mit der Sehnsucht nach Gott verbunden ist beim Namen: Frieden, Freiheit, Hoffnung, Einsicht, Beherztheit, Beistand, Heilung, Ganz-sein, Zukunft. Der Text ist auf der Rückseite des Andachtsblattes.
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Andacht zum Monat Oktober 2021
MONATSLOSUNG OKTOBER:
Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken.
(Hebräer 10, 27)
Gedanken von Carolin Pappe
Was würde es für mich ohne Kirche nicht geben? Diese Frage des Journalisten Heribert Prantl stelle
ich mir und gebe sie auch an Sie weiter. Was könnte ich gut missen – worauf würde ich nur ungern
verzichten?
Ich habe mir zu diesen Fragen bereits einige Gedanken gemacht, ich gebe Ihnen etwas Zeit, für sich
Antworten zu suchen und sie eventuell hier mitzuteilen…
Was würde es für mich ohne Kirche nicht geben?
Was könnte ich gut missen – worauf würde ich nur ungern verzichten?
Ich singe in einem Kirchenchor, manchmal Konzerte, teils in Gottesdiensten, sind wir unterwegs, so
besuchen wir mitunter Gottesdienste „in der Fremde“ und dabei empfinde ich meistens ein Gefühl
der Heimat, häufig ausgelöst durch Liturgie oder Lieder. Unsere Andachtsvorbereitungen und die
Andacht selber, auch die etwas anders gestalteten Andachten zu Jahresbeginn – würde es für mich
ohne Kirche nicht geben. Wahl des KVs, Briefe zum Kirchgeld, Kirchensteuer auf der
Gehaltsabrechnung – missen könnte ich wohl jeweils die administrative Seite, auch wenn ich weiß,
dass es ohne sie nicht so ginge. Verzichten nicht: die Kirchengebäude, die oft den Atem vieler
Jahrhunderte tragen und je nach Architektur und Gestaltung mir Wohlfühlen vermitteln. Oder mir
einen Raum geben, um zur Ruhe zu kommen, Danke zu sagen im Gespräch mit Gott – aber Gebäude
und Orgeln braucht es vielleicht nicht unbedingt, um Gemeinschaft mit Gott zu haben.
Weder für mich „allein“, noch für mehrere. Wir haben eben im Kanon gesungen „Wo zwei oder
drei…“ auch auf einer Wiese oder so können wir Gemeinschaft im Glauben erleben und Gottes Wort
in uns wirken lassen, dazu bedarf es wenig Institution und Architektur.
Aus den Gruppen (Chor, Andacht, Kirchentag, Jugendkreis) werden Impulse für den Alltag
mitgenommen, es wird Gutes herausgenommen und weitergegeben.
Hier kommt nun der Hebräervers, der heißen kann: „Lasst uns aufeinander acht geben, ermutigt
euch, gute Sachen zu machen, wir sind füreinander verantwortlich – daher lasst uns gegenseitig zu
Liebe und guten Taten anspornen.“
Auch wenn wir vielleicht einiges missen können, was Kirche auch ist – der Vers macht deutlich, dass
wir einander benötigen, weil wir uns manche Dinge nicht selber sagen können. Hoffnung,
Zuversicht, Mut, Segen – sagen uns andere. Bonhoeffer meinte: Kirche ist nur Kirche, wenn sie Kirche
für andere ist.
Ich kann auf Dauer nicht nur meinen „privaten“ Glauben pflegen, sondern benötige den Austausch
und die Gemeinschaft mit Gott und anderen Mitmenschen, um im Glauben bestärkt zu werden, in
Notzeiten Unterstützung zu erfahren – dadurch gedeihen Gaben und Gemeinschaft. In unseren
Gedanken in der Vorbereitung hatten wir aber auch festgestellt, dass es auch Nichtchristen gibt, die
Gutes tun – sei es bei THW, DRK oder ohne Organisation. Und tatsächlich kann der Vers auch generell
auffordern und ist auch ohne Glauben leistbar: solange die Welt dadurch menschlicher wird und
Verantwortung übernommen wird, finde ich die Basis, auf der das ruht, nachrangig. Für mich selber
ist wiederum der Glaube als Basis entscheidend, um mein Leben zu gestalten im Versuch, im Sinne
Jesu zu leben und hierbei merke ich immer wieder „Glaube ist kein Einzelgänger“ und fühle mich in
der Gemeinschaft, beispielsweise der Andacht, beschenkt und bestärkt und wünsche uns allen diese
Erfahrung aus dem Miteinander heraus.
DIe Menschen damals warteten auf Jesus, den einige noch gesehen hatten, hofften, dass er zur Tür
hereinkommen würde. Wir heute warten nicht in dem Sinne auf sein Erscheinen, drücken aber
beispielsweise im folgenden Lied unseren Glauben aus: “Wir glauben Gott ist in der Welt“.
Andacht zum Monat Juli 2021
MONATSLOSUNG Juli:
„Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.“
(Apostelgeschichte 17, 27-28)
Gedanken von Rosemarie Krause
„Wo ich gehe, wo ich stehe,
bist du, lieber Gott, bei mir.
Wenn ich dich auch niemals sehe:
Ich bin sicher, du bist hier.“
Dieses kleine Kindergebet kam mir in den Sinn, als ich mich dem Monatsspruch zuwandte, um ihn besser zu verstehen. Hier drückt sich eine Geborgenheit aus, denn es ist der „liebe“ Gott, den das betende Kind bei sich fühlt. Kinderglaube tut gut: ich bin sicher, Gott, du bist hier und ich bin bei dir in Sicherheit gegenüber der unfassbar großen Welt.
Anders fühlt sich das erwachsene Suchen und Zweifeln an: Gott, wo bist du? Warum verbirgst du dich? Gibt es dich überhaupt? Stimmt die Schöpfungsgeschichte, in der erzählt wird, dass du allein die ganze Welt erschaffen hast und auch den Menschen, den Menschen in seiner milliardenfachen Vervielfältigung, den Menschen, der seinen Brüdern und Schwestern Leid und Schmerz zufügt, dem dasselbe auch von den Anderen zugefügt wird? Diese Geschichte kann doch gar nicht stimmen: die Naturwissenschaften haben Beweise gefunden, die sie in ein anderes Licht stellen.
Wie kannst du Kriege und Flüchtlingselend zulassen, schwere Krankheiten und Naturkatastrophen? Wie kannst du zulassen, dass deine Geschöpfe deine Schöpfung misshandeln und vielleicht zerstören? Bist du der liebe Gott, den das Kind vertrauensvoll anbetet? Welche Attribute treffen zu bei dir: Bist du gnädig, gütig, groß, bist du ein liebender Gott, hast du Erbarmen mit uns, bist du allmächtig? Bist du etwa nicht allmächtig?
Wir stellen Gott viele Fragen, Antworten sind nicht immer leicht zu finden. Manchmal sind es nur Spuren, die wir zu entdecken meinen: Diese ganze Natur, sie ist so unermesslich wunderbar, vom menschlichen Verstand nie ganz zu fassen.
Und die menschliche Natur, wie ist es um sie bestellt? Ist der Mensch von Natur aus gut oder ist es umgekehrt: ist er böse? Woher hat er seine Ethik, sein Gewissen, das ihn zurückhält, wenn Enttäuschung zu Verzweiflung wird, Verzweiflung zu Wut und Hass, die sich in Gewalt entladen können? Warum gehen die Menschen nicht immer rücksichtsvoll, liebevoll miteinander um?
Wo also bist du, Gott?
Wo, besonders wenn wir in Not geraten?
Meine alte Tante, geboren 1895, erzählte mir in meinem jugendlichen Fragen von einem Gespräch mit ihrer Freundin Leni: Tante Erna hatte nach Gottesbeweisen und Glaubensorientierung gefragt, hatte ihre Zweifel nicht überwinden können – und Leni lachte sie an. Warum das viele Fragen? Du musst einfach glauben, einfach nur glauben, dann bist du in Sicherheit und kannst ein gutes Leben führen.
Einfach glauben! Den Kinderglauben festhalten.
Tief berührt hat mich die Äußerung von Margot Käßmann, als sie massiv über einen Fehler stolperte und ihr Bischofsamt aufgab: Ich kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand, sagte sie.. Diese Gewissheit! Solcher Trost!
Einen solchen Schutz und eine solche Festigkeit finden wir auch in diesem kleinen Text, in unserem Monatsspruch:
Gott ist immer da. In ihm leben, weben und sind wir. Punkt.
Amen
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Die Andacht zum Monat Juni fand wieder live statt, draußen vor dem Gemeindehaus. Endlich war auch wieder gemeinsamer Gesang möglich:
Die Gedanken zur Monatslosung kamen von Reinhard Krause:
Monatsandacht Juni 2021:
Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Apg. 5, 29
Wer sind die Menschen? In Zusammenhang mit dem Monatsspruch sind es die religiösen Führer Israels kurz nach der Kreuzigung Jesu. Menschen, die sich in der Verantwortung für ihren Glauben an den Gott Israels sehen und Jesus nicht als den angekündigten Messias anerkennen, sondern als einen Gotteslästerer begreifen, der beseitigt werden musste. So wie auch andere, die mit ihrer Auffassung von der herrschenden Lehre abwichen und das damals mit ihrem Leben bezahlten. Die Umgebung des Monatsspruchs in der Apostelgeschichte erzählt davon. Nicht immer historisch korrekt, aber als Lukas alles niederschreibt, sind ja auch viele Jahrzehnte vergangen und mündliche Überlieferung ist alles andere als unbeweglich.
Wenn dieser Vers heute zitiert oder inhaltlich genutzt wird, geht es um verschiedene Dinge. Es geht um das Recht, einer herrschenden Meinung, einer brutalen und ungerechten Herrschaft, zu widersprechen. Etwa in Myanmar oder Belarus oder Mali oder … Überall, wo herrschende Cliquen ihre korrupten wirtschaftlichen Privilegien mit der Unterdrückung eines Volkes aufrechterhalten wollen. Und sich dazu selbst ein wohl gottloses Recht geben. Behaupten, eine höhere Ordnung gegen Störenfriede oder gar Terrorristen zu verteidigen. Wie zum Beispiel Antisemitismus im nationalsozialistischen Deutschland zur heiligen Heldentat erklärt wurde. Und doch nichts anderes war als brutaler Völkermord.
Hannah Arendt hat in diesem Zusammenhang das Recht zum Gehorsam gegenüber den Herrschenden verworfen, als das deutsche Volk und insbesondere die konkret angeklagten Täter sich vor Gericht oder vor kritischen Angriffen damit verteidigten, dass sie nur Befehle befolgt hätten und doch zum Gehorsam verpflichtet waren. Gott mehr gehorchen als der Herrschaft und der Grausamkeit heißt dann ja wohl: dem Gewissen und einem liebevollen Menschenbild verpflichtet sein. Bereit sein zum Widerspruch und Widerstand und möglicherweise zum Opfertod. Wie die Geschwister Scholl und die gesamte Gruppe „Die weiße Rose“ das vorgelebt haben. Wie Dietrich Bonhoeffer und die vielen anderen Märtyrer aus dem deutschen Widerstand.
Gott gehorchen. Den haben wir nicht im Griff. Dem nähern wir uns nur als Menschen an wie Mose am brennenden Busch am Berg Horeb. Oder die Urgemeinde damals nach der Kreuzigung Jesu in Jerusalem. Oder Luther in seinem Widerstand gegen die damalige Kirche und ihre korrupte Theologie.
Gott missbrauchen. Das ist die andere Seite der Medaille bei der Berufung auf Gott. Wenn im unsinnigen Widerstand gegen Pandemiebekämpfung von einer Querdenkerin Sophie Scholl als Vorkämpferin der Freiheit beansprucht wird. Wenn Trump-Anhänger sich bei ihrem ideologischen Bestreben auf Dietrich Bonhoeffer berufen, der ja auch am bewaffneten Widerstand in Deutschland beteiligt gewesen sei. Dann stimmt etwas nicht. Dann wird dieser Satz vom Gott gehorchen müssen problematisch.
Die Sehnsucht nach Gott ist für mich eine Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Geborgenheit. Und wo Ungerechtigkeit und Terror einkehrt, da hört das berechtigte Berufen auf Gott auf. Da wird Gott sinnwidrig. Lebensfeindlich.
Als christliche Gläubige feiern wir Gott im Bild der Trinität dankbar für das, was uns an Lebendigkeit und vielfältiger Lebenswelt geschenkt ist. Wir orientieren uns an Personen, die uns beeindrucken und überzeugen. Auch oft genug in ihrem Leid, das sie dafür hinnehmen müssen. Und an guten und richtigen Gedanken, die uns erreichen und unser Handeln auf die richtige Spur bringen.
Nachdenken und Nachfühlen müssen wir in unserem Leben selbst. Unser Gewissen befragen und bemühen. Hoffentlich mit einem Ergebnis im Sinne dieses Gottes, dem wir dann natürlich mehr gehorchen müssen als dem kurzlebigen Mainstream. Solcher Gehorsam hält die Welt und ihre Geschichte in Bewegung und schützt das Lebendige vor tödlicher Erstarrung.
Amen
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Hier kommen Sie zur Online-Andacht zum Monatsbeginn Mai https://youtu.be/l7zZf9o2nlA_Andacht zum Monatsbeginn Mai
Aufgezeichnet in St. Severi, Otterndorf. Mit: Reinhard Krause, Rosemarie Krause, Ute Mushardt, Carolin Pappe sowie Kai Rudl am Keyboard
Kamera: Ekkehard Drath
MONATSLOSUNG Mai:
Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen Sprüche 31, 8
Ablauf:
- John Herberman: A Path to Solitude (Keyboard)
- Begrüßung
- Lied (HuT – Durch Hohes und Tiefes 163) Meine engen Grenzen
- Gedanken zum Text
- Lied (EG – Evangelisches Gesangbuch 432) Gott gab uns Atem
- (HuT 637) Psalm 40
- (Lied Vers 1,2,5) Wenn du denkst, du hast zum Helfen keine Zeit
- Gebet
- Vaterunser
- Lied (HuT 222) Möge die Straße
- Segen
- Lied (HuT 220) Bewahre uns, Gott
- Schlussworte
- Musik zum Ausgang: Variationen über „Bewahre uns, Gott“
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Hier kommen Sie zur Online-Andacht Andacht zum Monatsbeginn April
Aufgezeichnet in St. Severi, Otterndorf. Mit: Reinhard Krause, Rosemarie Krause, Ute Mushardt, Carolin Pappe sowie Kai Rudl am Keyboard
Kamera: Ekkehard Drath
MONATSLOSUNG April:
Christus ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Kolosser 1, 15
Ablauf:
- Begrüßung
- Ouverture E-Moll von Niki Reiser (aus „Das fliegende Klassenzimmer“).
- (Lied) Bleibet hier und wachet mit mir (3mal)
- Gedanken zum Text
- Lied (HuT 215) Leben aus der Quelle
- Hymnus aus dem Kolosserbrief (Kol. 1, 15-20)
- Lied (HuT283) Ich sing dir mein Lied
- Text von Dorothee Sölle (als Gebet)
- Vaterunser
- Lied (HuT189, 1+4 Wir haben reichlich Segen erfahren
- Segen
- Lied HuT 220 Bewahre uns, Gott
- Schlussworte
- Lied EG 175 Ausgang und Eingang
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Im März findet im allgemeinen keine Andacht zum Monatsbeginn statt, weil zeitgleich der Weltgebetstag stattfindet.
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Blick auf die Otterndorfer St. Severi-Kirche vom Süderwall aus (Foto: Silke Becker)
Die Februar-Andacht fand nur im Internet statt: https://www.youtube.com/watch?v=OoLLQtU16Rg&feature=youtu.be
Gedanken zur Monatslosung für den Februar 2021
von Reinhard Krause
„Freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!“ Lukas 10, 20
Wenn ich Lukas fragen könnte, würde ich wissen wollen, wo der Himmel bei ihm oder Jesus verortet ist. Ist damit der Himmel über uns gemeint oberhalb der Scheibe Erde, auf der die Menschen damals zu leben glaubten? Die ist uns ja schon einige hundert Jahre verloren gegangen, diese Erde und dieser Himmel, in dem von uns Menschen weniger unsere Namen als hinterlassener Weltraumschrott zu finden ist.
Das Himmelsbuch, in dem unsere Namen zu finden sind, ist als Idee viel älter als das Lukasevangelium. Im Zusammenhang des Textes geht es ja um sowas wie den Kampf des Bösen und des Guten, die Besiegung des Teufels durch Gott. 72 von Jesus bevollmächtigte Jünger sind ausgezogen und stolz zurückgekehrt, weil sie böse Geister aus Menschen vertrieben haben. Aber der besiegte Teufel ist für Jesus nicht das Wesentliche. Sondern der Sieg Gottes. In sein Buch sind die Namen der Jünger eingetragen. Festgehalten, verewigt. Darüber sollen sie sich freuen.
Eine Zukunft, in der Menschen in ein Buch des Lebens eingetragen werden. Von einer himmlischen Bürgerliste spricht die Erklärungsbibel. Nun gut, dieses Himmelreich oder Reich Gottes ist eine Sache des Glaubens, des Vertrauens in das Geschenk des Lebens. Namen bezeichnen einen ganzen Menschen in einem Leben mit irdischem Anfang und irdischem Ende. Jede und jeder ist einmalig. Er muss sich nicht anpassen und verzweifelt einem Mainstream nachjagen. Oder als junger Mensch Follower einer Heldin im Netz werden. Nein, so wie jemand ist, ist er im Buch des Lebens eingetragen und angenommen. Keine Leistung, ein Geschenk des Himmels, das uns alle Angst, allen Stress nehmen kann. Wenn wir uns als gewollte und geliebte Menschen annehmen können.
Ob uns das gelingt? Oder hetzen wir nicht doch dem Gedanken nach, dass wir unseres Glückes Schmied sind. Ziele, Pläne und Leistungen bringen müssen. Im Anfang des Lebens geht das nicht. Da sind wir angewiesen darauf ohne Gegenleistung beschenkt zu werden. Und am Ende auch oft nicht. Da sind wir wieder auf Hilfe angewiesen. Und manche auch ihr ganzes Leben. Nicht schlecht, wenn wir uns und unsere Mitmenschen in unseren Grenzen annehmen. Das macht die Welt himmlischer. Sicher! Gut in ein Bürgerbuch dort eingetragen zu sein. Amen
Andacht zum Jahresbeginn
Aufzeichnung der Andacht https://kirche-otterndorf.de/2021/01/09/festliche-andacht-zum-jahresbeginn/
Votum und Begrüßung
von Rosemarie und Reinhard Krause
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. – Dieser Aufruf Jesu soll uns ermutigen, von der göttlichen Barmherzigkeit, die wir erfahren, zu lernen und sie weiterzugeben. Jesus sprach diese Worte nach dem Evangelisten Lukas zu vielen Menschen aus dem ganzen jüdischen Land, die sich auf einem Feld um ihn versammelt hatten, um ihn zu hören. Und damit sind sie auch an uns gerichtet.
Immer zum Jahresbeginn lädt die Kirchengemeinde Menschen aus der ganzen Stadt ein, um über ein Bibelwort nachzudenken und Perspektiven für ein neues Jahr zu gewinnen. Wir freuen uns, dass Sie dieser Einladung gefolgt sind, auch wenn das traditionelle Zusammensein nach der Andacht diesmal nicht möglich sein wird. Froh bin ich auch darüber, dass Pastor Klaus Volkhardt aus Bülkau uns wieder musikalisch unterstützt. Zusammen mit Kreiskantor Kai Rudl wird er die Musikakzente im Ablauf setzen. (Hinweise: Video-Aufzeichnung, Kollekte)
Wir wollen nun diese Andacht feiern im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
„Barmherzigkeit“ – dieses Wort ist eigentlich nicht mehr zeitgemäß, nicht unbedingt alltagstauglich. Das Wort stammt aus der gotischen Kirchensprache. „Herz“ ist drin, das Organ, das in der jüdischen Bildersprache als Puls des Lebens Vernunft und Gefühl miteinander verbindet. Und „arm“ für alles Unvollkommene in unserem Leben oder dem der Anderen. Mit unseren Herzen sollen wir auf diese Unvollkommenheiten schauen, sollen bei Unglück und Leid nicht wegsehen, sondern uns zuwenden und da weiterhelfen.
Dabei steht ein solches Verhalten oft im Gegensatz zu unserem Alltagsverhalten. Nur zu leicht verführt uns der Ärger über einige Mitmenschen, der Frust über geplatzte Pläne dazu, dass wir unreflektiert reagieren, die Mitmenschen verbal aburteilen, über Andere richten. Beweggründe der anderen Seite sind uns dann egal, nur unser eigenes Unglück wollen wir abwenden, unser Vorrecht zementieren. Wir nehmen den Anderen nicht in den Blick, wir wiegen unser Handeln nicht mit dem Herzen ab und werden dann leicht rücksichtslos, erbarmungslos, unmenschlich.
„Man sieht nur mit dem Herzen gut“, sagt der kleine Prinz in der Geschichte von Antoine de Saint-Exupéry.
Oft verhalten wir uns im Alltag so, dass wir, wenn wir etwas geben, dafür etwas zurückerhalten wollen, einen Deal machen. Wenn ich dir etwas gebe: Was hab ich dann davon? Jesus fordert von uns aber, ohne diesen Gedanken des eigenen Vorteils zu geben, und verspricht gleichzeitig: „Gebt, so wird euch gegeben.“ Tut Gutes, so wird euch auch Gutes getan. „Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen.“ (Vers 38)
Seid barmherzig, ….
Die hebräische Bezeichnung für Erbarmen lautet racham. Das bedeutet auch Mutterschoß / Gebärmutter. Erbarmen, Barmherzigkeit als ein anderes Wort für Mütterlichkeit. Ein Bild fällt mir dazu ein: Das Kind ist gestürzt, die Kniee bluten, das Kind weint. Die Mutter pustet auf die Wunde und spendet Trost. Das Wunder geschieht: Es tut nicht mehr weh.
… wie auch euer Vater barmherzig ist.
Das biblische Bild vom Vater erlebe ich am Sonntagmorgen beim Brötchenholen. Der kleine Junge mit dem Spielzeugauto, der sich mit seinem Papa langsam in der Schlange der maskierten Wartenden zum Eingang der Bäckerei vorarbeitet. Der freundliche Ton des Vaters, der das geduldige Warten auf die Brötchen zu einem sanften Erlebnis macht voller Leben.
Auch wenn nicht alle Väter und Mütter perfekt sind: Ohne ihre unendliche Geduld und ihre liebevolle Zuwendung oder die von anderen Menschen gäbe es kein Leben.
Gott wird Mensch oder: der reale Mensch wird zu einem Bild des liebevollen Gottes.
„Vom Umgang mit dem Nächsten“ – so heißt die Überschrift im Lukasevangelium über unserer Jahreslosung als Rezept für ein gutes Leben:
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Gedanken zur Jahreslosung
von Thorsten Niehus
„Sei doch ein bisschen barmherzig.“ Etwas altmodisch klingt diese Aufforderung mit dem Unterton, es doch nicht so eng zu sehen, wenn der andere etwas nicht so ganz optimal gemacht hat. Barmherzigkeit ist aber etwas ganz Anderes, als großzügig über lässliche Fehler hinwegzusehen. Barmherzigkeit ist etwas ganz Anderes als die harmlose, selbstverständliche Aufforderung, doch nett miteinander zu sein.
Um das zu erkennen, müssen wir die Bibel aufschlagen und lesen, was im 6. Kapitel des Lukasevangeliums vor und nach der Jahreslosung steht. Dann erkennen wir, dass der Satz: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“, ein Scharnier bildet zwischen zwei Themen, die uns auch als Christen wohl die schwersten sind.
Wir befinden uns mitten in der Bergpredigt, die bei Lukas noch etwas zugespitzter ist als bei Matthäus. Vor der Jahreslosung spricht Jesus von der Feindesliebe: Nett zueinander sein und nach außen hin ein gutes Bild abgeben, das können auch die Heiden. Das ist nichts Besonderes. Wir sollen die linke Wange hinhalten, wenn uns jemand auf die rechte Wange schlägt. Und dann heißt es unmittelbar vor der Jahreslosung: Liebt eure Feinde und tut ihnen Gutes, ohne etwas dafür zu erhoffen. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
Uns wird deutlich, dass wir uns kräftig bemühen können, auch unseren größten Widersacher zu lieben. Das bedeutet mehr als akzeptieren oder respektieren. Wir können uns darum bemühen, aber wir wissen genau, dass wir immer wieder scheitern werden. Und doch mutet uns Jesus zu, an Gottes Stelle, als Stellvertreter Gottes auf Erden, unsere Feinde zu lieben. Nicht der Papst, nicht der Bischof, nicht irgendein anderer ist gemeint, sondern ich und du. Und wer auf den anderen mit dem Finger zeigt, auf den zeigen drei Finger zurück.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und unmittelbar nach der Jahreslosung folgen die Sätze: Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben. So und nicht anders.
Jesus beschreibt den ersten Schritt auf dem Weg zur Feindesliebe: Den anderen nicht zu beurteilen, gar zu verdammen, sondern ihm jederzeit zu vergeben.
Den anderen beurteilen bringt immer Unruhe mit sich. Nicht nur bei Kritik. Wenn ich jemanden öffentlich belobige, fühlen sich andere zurückgesetzt. Wenn Erzieherinnen im Kindergarten, diejenigen, die ohne Maske und Abstand mit vielen Kindern aus unterschiedlichsten Haushalten zusammenleben, wenn die einen Corona-Zuschlag bekommen, dann gibt es Menschen, die sagen: Vollkommen zu Recht. Denn schließlich sind Erzieherinnen sogar noch vor Altenpflegerinnen diejenigen, die am häufigsten von allen Berufsgruppen während der Corona-Pandemie krankgeschrieben werden müssen. Andere hingegen möchten auch einen Zuschlag haben und fühlen sich benachteiligt. Und schon haben wir Aufruhr. Und dass aus Streit mit Worten von Menschen, die sich zurückgesetzt fühlen, Taten folgen, dazu brauchen wir gar nicht ganz bis nach Amerika zu gucken, sondern fangen am Besten bei uns selber an.
Barmherzigkeit gegenüber den Menschen, die anders sind, die uns auf den Wecker gehen, vielleicht sogar feindlich gesinnt. Eigenes Geltungsbedürfnis und Neid auf Andere in den dauerhaften Lockdown zu schicken, wäre die Voraussetzung dafür, überhaupt über Barmherzigkeit nachzudenken und zu reden.
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Die Jahreslosung 2021 ist keine harmlose Nettigkeit. Sie ist eine Zumutung. Gott mutet uns zu, andere nicht zu beurteilen, und nicht nur die, die uns nahe sind, sondern genauso unsere Feinde zu lieben. Eine Zumutung, zu der Gott uns Mut zuspricht, um Frieden zu stiften. Da sollen wir als Christinnen und Christen zu Recht ganz vorne dabei sein. Amen.
Gedanken zur Jahreslosung mit szenischem Spiel
von Carolin Pappe und Ute Mushardt
Szenische Darstellung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Lukas 15, 11-32)
Das ist Handeln aus Liebe. Die Geschichte vom verlorenen Sohn stammt aus ferner Zeit, aber das Thema ist uns nahe, bis heute. Der Vater ist barmherzig zu seinem Kind, weil er es liebt. Nicht etwa, weil das Kind es sich verdient hätte. So wenig, wie sich der verlorene Sohn die offene Tür seines Vaters erarbeitet hat.
Die offene Tür hatte der verlorene Sohn eigentlich verspielt durch Verprassen des Erbes. Aber die Liebe des Vaters bleibt dennoch.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet.
Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt.
Vergebt, so wird euch vergeben.
Gebt, so wird euch gegeben. (Lukas 6, 36-38)
Jahresrückblick
von Thorsten Niehus
Silke Becker hat mich, weil sie krank ist, gebeten, als ihr Stellvertreter im Kirchenvorstand einen kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr zu halten.
Ein Neujahrsempfang geht nicht in diesem Jahr. Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, mich im Namen des Kirchenvorstandes bei allen haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden zu bedanken: Für das Engagement im Jahr 2020 und für die viele Geduld, Kreativität, Nerven und Extrazeit, die wir alle wg. der verrückten Umstände rund um Corona für unsere Kirchengemeinde eingesetzt haben.
Nach dem letzten Neujahrsempfang beginnt unser Gemeindeleben wie geplant: Winterkirche, neue Kirchenbeleuchtung, Konzert mit Klaus Florian Vogt, Weltgebetstag und manches mehr. Doch dann der erste Lockdown: Von heute auf morgen müssen wir Kirche und Gemeindehaus komplett schließen. Der Vorstellungsgottesdienst der Konfirmanden war der erste von vielen Gottesdiensten am Küchentisch. Vom Kirchturm klingen zwei Trompeten. Die Kindertagesstätte ist im Notbetrieb, Beerdigungen können nur im kleinsten Kreis unter freiem Himmel stattfinden.
Anfang Mai kamen die ersten sogenannten Lockerungen. Ein Begriff, den ich bisher nur aus dem Strafvollzug kannte: Unter Lockerungen versteht man Erleichterungen im Rahmen des Strafvollzugs für einen Strafgefangenen durch befristetes Verlassen der Justizvollzugsanstalt. Darum finde ich das Wort Lockerungen furchtbar: Wir sind keine Gefangenen, nicht des Virus und erst recht nicht der Regierung, die Verantwortung für uns übernimmt, wo die Selbstverantwortung nicht ausreicht. Ich spreche lieber von Öffnungen, statt von Lockerungen.
Als erstes kam die Wiedereröffnung der Kirche mit Einschränkungen: Maske, nicht singen, Handhygiene, alles war ungewohnt und fremd.
Wir haben Orgelandachten und eine musikalische Abendandacht gefeiert.
Die Konfirmationen wurden in den September verschoben und in kleinsten Gruppen gefeiert, Im August gab es mehrere Schulanfänger-Gottesdienste nur mit Eltern und Kindern einer Klasse.
Im Sommer Gottesdienst, Chorproben und Posaunenchor draußen mit Abstand. Es konnte wieder gesungen werden. Im Gottesdienst und beim offenen Singen hinter der Kirche. Besuche waren wieder möglich. Auch der Handarbeitskreis traf sich wieder mit viel Abstand.
Mit den Öffnungen stieg die Ungeduld, dass alles wieder möglichst bald so wie früher wird. Doch mit dem Ende des Sommers machte sich erst die Ahnung und heute die Gewissheit breit, dass die Infektionen wieder galoppierend zunehmen.
Wir sind als Kirchengemeinde nach allem menschlichen Ermessen verantwortungsvoll mit dem Virus umgegangen. Während die meisten Schulen noch auf Verdacht gelüftet haben, gab und gibt es bei uns in Kirche und Gemeindehaus neben allen anderen Maßnahmen auch Luftmessgeräte, die anzeigen, wann Frischluft nötig ist.
Wir haben rechtzeitig und mit viel Sicherheitsreserve den Heiligen Abend geplant und gefeiert und werden auch im vor uns liegenden Jahr alles dafür tun, dass die Schwächsten geschützt werden, vor dem Virus und vor Vereinsamung.
Ob und wieviel von unserem früheren Gemeindeleben im vor uns liegende Jahr möglich werden wird, das wissen wir nicht. Uns bleiben Geduld und Kreativität. Und vor allen Dingen: Barmherzigkeit. Auch gegenüber unserer Begrenztheit. Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lukas 6, 36)
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